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Vom Internet ins Ehebett (German Edition)

Vom Internet ins Ehebett (German Edition)

Titel: Vom Internet ins Ehebett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Berg
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ergriff meine Hände und sah mir tief in die Augen: »Hast du eine Wimper ins Auge bekommen?« Seine Stimme klang eher ungeduldig als besorgt. »Oder blendet dich die Sonne?«
    Mit einem Schlag hörte ich zu blinzeln auf. »Weder noch«, sagte ich, unsanft aus meinen romantischen Träumen in die Wirklichkeit zurückbefördert.
    »Dann ist es ja gut. Ich wollte dir schon meinen Augenarzt empfehlen. Ein alter Golffreund. Wirklich eine Kapazität auf seinem Gebiet. Ach, bevor ich es vergesse, ich hatte dich doch um den Prospekt von dem Hotel gebeten, in dem du in Wien übernachtet hast. Hast du daran gedacht, ihn mir mitzubringen, mein Lieb?«
    Natürlich hatte ich daran gedacht. Ich hatte ihn bereits vor ein paar Tagen in meine Tasche geworfen. Ich öffnete diese jetzt und begann darin zu graben. Der Vorteil vongroßen Taschen war, dass man eine Unmenge an Sachen unterbrachte. »Zimmer, Kuchl, Kabinett«, wie Frau Holzinger es so treffend ausdrückte. Und was so viel heißen sollte wie: die gesamte Wohnungseinrichtung. Der Nachteil war, dass man nichts wieder fand. Vor allem dann nicht, wenn man einen guten Eindruck machen wollte und man am liebsten mit eleganter Grandezza das Gesuchte auf den Tisch gelegt hätte. »Der Inhalt einer Damenhandtasche spiegelt die Seele ihrer Trägerin wider«, habe ich mal gelesen. Na toll, dann konnte sich Stefan ja jetzt ausmalen, wie es um meine Seele bestellt war. Ich kramte und kramte, doch es half alles nichts. Ich musste meine Geldtasche auf den Tisch legen. Und meine Schlüssel, Taschentücher, Lippenstift, ein paar alte Fotos, mein Kalenderbuch, mein Visitenkartenetui, ah, endlich der gesuchte Prospekt. Ich strich das reichlich zerknitterte Blatt Papier glatt und schob es zu Stefan hinüber.
    Er hatte sich bereits eines der alten Fotos geangelt. Es war am letzten Weihnachtsabend aufgenommen worden. Ich stand mit meinen beiden Söhnen vor dem Christbaum. Meine Haare waren damals noch rötlich, und ich trug sie aufgesteckt. Dazu ein beiges Jackenkleid. Und eine schwere Bernsteinkette. Die Kette hatte einst Mama gehört, und ich hatte sie Hubert zuliebe getragen. Obwohl ich damals schon wusste, dass sie mir nicht gut zu Gesicht stand. Stefan nahm seine Brille ab, was er immer tat, wenn er etwas genau studieren wollte: »Wer ist das?«, erkundigte er sich.
    »Das sind meine beiden Söhne. Tim und Sebastian, du hast sie einmal kurz gesehen, als du mich abgeholt hast, weißt du nicht mehr?«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung: »Nein, ich weiß, dass das deine Söhne sind«, sagte er ungeduldig, »was ich wissen will ist, wer ist die Frau in der Mitte?«
    Ich lachte herzlich auf. »Habe ich mich wirklich so verändert? Das bin ich. Allerdings habe ich jetzt eine neue Brille und eine andere Frisur.«
    Stefan sah vom Foto auf, sah mich an, sah das Foto an, dann wieder mich, dann wieder das Foto, und ich erwartete, dass er endlich sagen würde: »Na, du hast dich aber verändert!«
    Und dann sagte er: »Na, du hast dich aber verändert!«
    Ich musste grinsen: Ich kannte die Männer.
    »Warum hast du das getan? Was warst du für eine schöne Frau.«
    Ich hatte mich zu früh gefreut. Diese Worte hatte ich nie und nimmer erwartet! In diesem Moment brachte der Kellner das Essen. Ich war so fassungslos, dass ich zu keiner Erwiderung fähig war.
    »Wer hat dir denn deinen neuen Look eingeredet?«, setzte Stefan fort. »Wie kann man vornehme Eleganz vertauschen mit …« Er wusste nun selbst nicht recht, wie er diesen Satz zu Ende bringen sollte. »Na ja«, sagte er schließlich, »du kannst dir deine Haare ja wieder wachsen lassen.«
    Dann widmete er sich seelenruhig seinem Kalbfleisch, das fein aufgeschnitten auf einem Glasteller aufgefächert war, vergraben unter einer dicken Schicht Thunfischsoße. Garniert mit kleinen, grünen Kapern. Während ich schweigend meinen Mozzarella aß, überlegte ich, ob ich Stefan zuliebe bereit war, wieder in mein altes Aussehen zurückzuschlüpfen. Nein, das war ich nicht. Stefan würde sich mit meinem jetzigen Aussehen abfinden müssen. Denn ich fühlte mich so bei weitem wohler.
    »Wie schnell die Zeit vergeht«, wechselte mein Gegenüber das Thema, » jetzt haben wir schon wieder Mittwoch, das heißt, das Wochenende steht bevor. Schon Pläne, mein Lieb?«
    Da fiel mir siedend heiß der Samstag wieder ein: Huberts Hochzeit. Ich sah die Ehrengäste durch den Mittelgang der Kirche schreiten, alles Paare. Und mich. Da fasste ich mir ein Herz, bevor ich

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