Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
sich verabschieden. Ich bat ihn lächelnd, mich bis zur Eingangstür zu begleiten. Er fand an diesem Wunsch nichts Befremdliches. Dann reichte er mir die Hand, doch ich ergriff sie nicht. Sondern legte meine Arme um seine Schultern. Es war wie in einem Film. Mit einem dramatischen Aufstöhnen drängte ich ihn zur Hauswand. So, als wollte ich jeden Fluchtversuch von vornherein verhindern. Und dann drückte ich ihm energisch meine Lippen auf den Mund.
»Ach Stefan!«, stöhnte ich. Vielleicht ein bisschen zu theatralisch, aber der Zweck heiligte die Mittel. Er war kurz völlig aus der Fassung, und dann stöhnte auch er auf und öffnete die Lippen, um meinen Zungenkuss zu erwidern.
In diesem Augenblick lernte ich dreierlei: Zum einen, dass es auch Männer über fünfzig gab, die miserabel küssen können. Zum zweiten, dass es nicht Modergeruch war oder Küchendüfte, die Stefans Kleidung anhafteten, wie ich bisher angenommen hatte. Nein, es war sein Körpergeruch, der mich abstieß. Stefan roch allerdings nicht nur wie ein alter Hund, er schmeckte auch so. Und als drittes lernte ich, dass es einen Grad von Arroganz gab, den ich bisher nicht für möglich gehalten hatte.
Er schüttelte sich, als hätte er etwas Unangenehmes loszuwerden. Und fuhr dann mit den Händen über seine Ärmel, um imaginäre Staubkörnchen und Schmutz abzustreifen. »Das war jetzt sehr vulgär, nicht wahr, meine Teure?«Noch nie hatte seine Stimme so näselnd geklungen wie jetzt. »Was soll das Ganze? Ich bestimme das Tempo. Was wolltest du mit dem Überfall? Dachtest du ernsthaft, du könntest dir durch so ein Verhalten meine Person sichern? Und mein Vermögen?«
Ich brauchte einige Sekunden um diese Worte zu verdauen. »Nein, mein Lieb«, meine Stimme stand der seinen an Kälte und Arroganz um nichts nach, »dies war nichts weiter als ein Test. Ein Männlichkeitstest, wenn du so möchtest, mein Lieb.« Ich hob den Ausdruck »mein Lieb« absichtlich besonders hervor.
Stefan, der schon auf dem Weg zu seinem Fahrzeug gewesen war, drehte sich um, und es zeigte sich, dass Neugierde neben Arroganz seine zweite Haupteigenschaft war: »Und?« Er hob erwartungsvoll beide Augenbrauen.
»Und …«, wiederholte ich und machte eine genüssliche Pause, »du hast diesen Test nicht bestanden.«
Dann machte ich kehrt und begab mich in meine Wohnung. Stefan Auer-Bergenthal war ein Arsch. Hätte ich auf meine Söhne gehört, hätte ich mir so manches erspart. Vor allem diesen peinlichen Auftritt von gerade eben. Ich war versucht, in Tränen auszubrechen, doch dann gewann mein Humor überraschend schnell die Oberhand. Ich beschloss, Bea anzurufen. Sie musste unbedingt das Ende dieser Geschichte als Erste erfahren.
XXV
Bea war sofort nach meinem Anruf ins Auto gesprungen, um mich zu besuchen. Und dann verbrachten wir einen höchst vergnüglichen Nachmittag, indem ich ihr alle Details meiner Unterhaltung mit Stefan möglichst wortgetreu schilderte. Ich wunderte mich selbst darüber, dass ich keinen Schmerz verspürte. Hatte ich ernsthaft geglaubt, mit diesem Schnösel zusammenzupassen? Warum waren mir seine charakterlichen Schwächen nicht sofort aufgefallen? Vielleicht, weil ich so lange mit Bernhard korrespondiert und mir dabei immer Stefans Gesicht vorgestellt hatte? Weil mein Inneres dadurch davon ausgegangen war, all die netten E-Mails seien von Stefan gekommen. Stefan hätte mir nie so warmherzige E-Mails geschickt. Stefan hätte sich überhaupt niemals die Mühe gemacht, mit irgendjemandem zu korrespondieren, da bin ich mir sicher.
Um acht Uhr wurde dann die Tür aufgerissen, und Carla stand im Türrahmen. Sie strahlte. Ihre Augen leuchteten, ihr Mund lachte, und ich hatte sie in den letzten Wochen, nein, ich hatte sie noch nie so hübsch und glücklich gesehen.
»Ich bin zurück!« Sie fiel mir in die Arme. »Das ist schön, dass du auch da bist!« Sie umarmte Bea und zeigte dann auf den Mann, der bisher schweigend im Türrahmen gestanden hatte: »Darf ich dir Bernhard vorstellen? Rosalind hat uns zusammengebracht.«
Ich beeilte mich, Bernhard zu begrüßen und in mein Wohnzimmer zu bitten. Bea schüttelte ihm kameradschaftlichdie Hand: »Nett, dich kennen zu lernen, Bernhard. Carlas Freunde sind auch meine Freunde. Ich bin Bea.«
»Hast du Hunger?«, fragte ich Carla.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe bereits im Flugzeug ein Abendessen bekommen.«
»Bernhard?«
Doch Bernhard beeilte sich zu versichern, dass er auch keinen Hunger
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