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Vom Internet ins Ehebett (German Edition)

Vom Internet ins Ehebett (German Edition)

Titel: Vom Internet ins Ehebett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Berg
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schwarzen Locken.
    »Wo ist Tony?«, meldete sich Marie zu Wort. »Ist er nicht mitgekommen?«
    Tony war der Scheidungsgrund. Oder, wie Carla nach tiefem Nachdenken und vielen Gesprächen mit uns Freundinnen ehrlich feststellen musste, eher der unmittelbare Anlass, dass sie sich zu diesem tiefgreifenden Schritt entschlossen hatte.
    In Wahrheit war ihre Liebe schon längst gestorben und das Zusammenleben nur noch ein Nebeneinander gewesen. Lange bevor Tony auf der Bildfläche erschienen war. Olivers neuer Lebensgefährte. Die beiden waren ein ungleiches Paar. Tony war so groß, wie Oliver klein war. Er war so muskulös wie Oliver dick. So gut aussehend wie Oliver hässlich und so dumm wie Oliver klug. Behauptete zumindest Bea. Der Vergleich war allerdings nicht ganz korrekt. Hielt siedoch den Chirurgen selbst auch nicht für überragend intelligent.
    Die Liebe der beiden Männer dauerte nun schon fast zwei Jahre. Carla war entsetzt gewesen, als sie davon erfuhr. Obwohl sie es im Nachhinein Oliver hoch anrechnete, dass er nicht auf einen Zufall gewartet hatte, der seine Frau über die neue Tatsache informierte. Er selbst hatte sie ihr eines Abends offen und schonungslos dargelegt. Er habe bereits im Internat bemerkt, dass er latent homosexuell veranlagt ist. Nein, er habe keinen Grund gesehen, sie davon in Kenntnis zu setzen. Er habe gedacht, dies sei eine längst überwundene, pubertäre Verirrung. Doch dann habe er Tony kennen gelernt. Dieser hatte eine Kollegin in die Klinik begleitet, die sich einer Brustkorrektur unterziehen wollte. Keiner Vergrößerung, sondern einer Straffung. Denn die Dame war Tänzerin, Stripteasetänzerin um genau zu sein. Und da war es nicht angebracht, wenn die schlaffen Brüste bei jeder Bewegung um die Rippen schlackerten. Oliver war ein Freund derber Wortwahl. Carla hatte ihren Mann daraufhin fassungslos gefragt, ob Tony etwa auch Stripteasetänzer sei. Tony war Barkeeper. Ein ganz ausgezeichneter, wie Oliver in den Wochen nach dem Kennenlernen feststellen konnte. Seine »Bloody Mary« war köstlich, seine anderen Cocktails waren hinreißend. Doch noch viel hinreißender waren feste, knackige Pobacken in hautengen, schwarzen Lederhosen. Und eine muskulöse, behaarte Brust unter dem geöffneten Seidenhemd. Ob sich Carla vorstellen konnte, wie erregend ein gut gebauter männlicher Körper war? Carla konnte. Ob sie sich vorstellen konnte, seine Affäre zu tolerieren und dennoch weiter mit ihm zusammenzuleben? Carla konnte nicht.
    Kurz nach diesem Gespräch fanden Oliver und Tony eine geräumige Altbauwohnung nahe der Klinik. Die Scheidung war nur mehr Formsache. Marie blieb bei der Mutter.
    Carla hatte Tony kennen gelernt. Und wider Erwarten, gegen ihren Willen, mochte sie ihn. Er war charmant undzuvorkommend, und er verstand sich bestens mit Marie. Oliver war ungeduldig und sehr auf sich konzentriert. Er wollte seine Tochter pflegeleicht. Hübsch herausgeputzt, ein Vorzeigeobjekt, das er stolz seinen Freunden und Bekannten präsentieren konnte. Wie ein Stück aus seiner heiß geliebten Porzellansammlung. Tony akzeptierte Marie, wie sie war. Er ging auf ihre Wünsche ein, besuchte sie, wenn sie krank war, half ihr bei Schularbeiten und ging mit ihr ins Marionettentheater.
    »Tony liegt noch im Bett«, Oliver verzog die Mundwinkel, »er hatte heute Nacht schon wieder Dienst und ist erst gegen acht Uhr nach Hause gekommen. Höchste Zeit, dass ich dem Treiben ein Ende setze.«
    Das fanden Carla und ich wirklich amüsant. Wie oft hatte ihr Oliver in den Ohren gelegen, sie solle ihren Beruf an den Nagel hängen und nur für ihn da sein. Er konnte sich eine nicht berufstätige Ehefrau aus finanzieller Sicht spielend leisten. Sie hatte sich stets erfolgreich dagegen gewehrt. Und jetzt war anscheinend Tony an der Reihe. Vorbei waren die Zeiten, da Oliver ihn bewundernd beobachtete, wie er bunte Flüssigkeiten im silbernen Shaker schüttelte. Und wie er diese dann in hohem Bogen in bereitgestellte Gläser goss. Vorbei die Zeit, da er Tonys »Bloody Mary« köstlich fand. Jetzt fand er Tonys Zwiebelrostbraten köstlich. Und er wollte, dass Tony in der Bar Schluss machte und sich nur noch um den Haushalt und den dazugehörigen Hausherrn kümmerte. Zu seinem Leidwesen weigerte sich Tony jedoch, seine Selbstständigkeit aufzugeben und sich vollends in die Abhängigkeit von Oliver zu begeben. Eine Entscheidung, die Carla und ich gut nachempfinden konnten.
    »Komm, Papi. Lass uns fahren und Tony

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