Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
aufwecken.« Marie versuchte, ihren Vater mit sich zu ziehen. »Er hat mir versprochen heute Nachmittag mit mir ins Kino zu gehen und ›Arielle, die Meerjungfrau‹ anzusehen.«
»Na dann«, Oliver machte eine Geste, als gäbe er sich geschlagen, »dann wollen wir mal dringend los. Einen schönenSonntag noch allen Anwesenden. Und lerne brav, Sebastian, du Musterbeispiel eines Schülers. Dein Bruder kann sich eine Scheibe von deinem Fleiß abschneiden.« Er klopfte dem lernenden Jungen im Vorbeigehen wohlwollend auf die Schulter.
Tim schüttelte seine Hand ab ohne sich umzudrehen. »Du hast wirklich den Durchblick, Oliver.« Sein Spott klang beißend.
Doch Oliver hatte sich bereits uns Damen zugewandt. Er küsste mir die Hand, obwohl er genau wusste, dass ich das nicht ausstehen konnte. Er gab Carla einen kleinen Kuss in den Nacken. Was diese noch weniger mochte. Dann legte er den Arm um die schmalen Schultern seiner Tochter und schob sie in Richtung Vorzimmer.
»Warten Sie, Herr Doktor! Ich führe Sie hinaus.« Hubert hatte sich von seinem Lehnstuhl erhoben und war eben dabei, seine goldgefasste Lesebrille in einem soliden Etui zu verstauen. Mit geübtem Griff schob er es dann hinter die Bücherreihe auf dem mittleren Regalbrett. Es war seine Zweitbrille, die er nur benutzte, wenn er sich bei uns aufhielt.
»Es ist ohnehin Zeit für meinen Sonntagsspaziergang. Die Jungs sind schon zu groß, mich zu begleiten. Es ist jammerschade.« Hubert wirkte älter als andere Männer mit fünfundsechzig Jahren. Außer seinen täglichen Spaziergängen betrieb er keinerlei sportliche Betätigung. »Vielleicht sollte ich mir doch einen Hund zulegen. Meine Schwiegertochter mag ja dagegen sein. Aber dennoch – was meinen Sie, Herr Doktor?«
»Du lieber Himmel, nicht schon wieder die Hundediskussion«, dachte ich und verdrehte die Augen zur Decke.
»Au ja, toll Gropa! Ich möchte auch einen Hund. Bitte, Gropa, kauf einen Hund!« Marie strahlte vor Begeisterung und begann vor Aufregung hin und her zu hüpfen. Sie nannte Hubert Gropa, wie die Jungen es taten.
Natürlich kannte ich die Sehnsucht meines Schwiegervaters nach einem Vierbeiner. Und ich fürchtete, er könnteseinen Plan tatsächlich wahr machen. Mein Widerstand würde ihn auf die Dauer nicht davon abhalten. Und die Tatsache, dass mir das Haus gehörte, auch nicht. Ich sah schon den tapsigen Bernhardiner vor mir, der mich mit blutunterlaufenen Augen anstarrte und seine Haare büschelweise auf den Teppichen hinterließ. Oder einen sabbernden Boxer Schlieren über den Parkettboden ziehen. Oder einen deutschen Schäferhund, der mir zähnefletschend den Zutritt zu meiner eigenen Wohnung verwehrte. Mein Bruder Heinrich hatte eine Zeit lang einen Schäferhund besessen. Dieser war neurotisch und auf einem Ohr taub gewesen. Er hatte am liebsten meine Schuhe zerfleischt und gern nach meinen Waden geschnappt. Wenn er mich auch nie wirklich gebissen hat, so waren meine Strumpfhosen regelmäßig im Eimer. Und ich konnte mir die Vorwürfe meiner Mutter anhören. Und mir von meinem kargen Taschengeld neue besorgen. Diese Erfahrung genügte mir fürs Leben.
Wider Erwarten kam mir Oliver zu Hilfe. »Hunde machen Arbeit und stinken, wenn sie nass werden«, erklärte er kategorisch, »zudem sind sie in höchstem Maße unhygienisch.«
Man hörte die beiden debattieren, bis die schwere Haustür hinter ihnen ins Schloss fiel.
»Ich hoffe, es gelingt Oliver, Hubert zu überzeugen. Sonst schleppt er eines Tages wirklich so ein Riesenvieh an.« Ich stand auf und schnappte mir die Zeitung, die mein Schwiegervater fein säuberlich zusammengelegt auf dem Tischchen neben dem Kamin abgelegt hatte.
»Ich mag Hunde an und für sich sehr gern. Allerdings braucht man viel Zeit für sie. Darum hoffe ich das auch«, Carla legte ihre Beine auf den Stuhl vor sich. Eine Handlung, die wohltuend für ihre Venen war. Die sie sich aber in Gegenwart eines männlichen Wesens niemals gestattet hätte. Die Zwillinge ausgenommen. »Obwohl Oliver noch selten zu etwas wirklich nützlich war. Gibst du mir einen Teil der Zeitung?«
Tim packte seine Lernsachen zusammen und verschwand zu Jordy, dem Schulfreund, der im Haus gegenüber wohnte. Und mit dem meine Söhne einen Großteil ihrer Freizeit verbrachten.
Die nächsten Minuten vergingen in einmütigem Schweigen. Beide hatten wir unsere Blicke auf die eng bedruckten Seiten des unhandlichen Blattes gerichtet. Was ich da las, war hochinteressant. Bisweilen aber
Weitere Kostenlose Bücher