Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Ich muss los. Meine Hausfrauen warten.«
Der nächste Montagabend kam schnell. Ich hatte mich wirklich entschlossen, Carla zu Beas Vortrag zu begleiten. Mir war dabei nicht ganz wohl zumute. Peter hatte für »Weibervereine« nichts übrig gehabt. Ich stand vor dem großen Spiegel in meinem Schlafzimmer, eben dabei, mit geübten Griffen meine Haare hochzustecken.
»Ma-am!«, erschallte Tims Stimme durchs Haus. »Telefon!«
Erschrocken spuckte ich die Haarnadeln aus, die ich wie immer zwischen die Lippen geklemmt hatte. Ich eilte in unser Wohnzimmer und flüsterte: »Wer ist denn dran?«
Mein Sohn zuckte mit den Schultern, bevor er sich wieder die Kopfhörer seines CD-Players in die Ohren stöpselte. »Keine Ahnung. Irgendein Mann. Seinen Namen habe ich nie zuvor gehört.«
Er zog in Richtung Küche von dannen. Ich musste aufpassen, dass ich nicht vor Aufregung über den Teppich stolperte. Jetzt war es also so weit. Der »biedere Geschiedene« ließ von sich hören. Gerade jetzt, da Carla jeden Augenblick an der Tür klopfen würde, um mich abzuholen. Wie hatte ich bloß so wahnsinnig sein können, auf eine Anzeige zu antworten? Atemlos griff ich zum Hörer. Schon wollte ich mich gewohnheitsmäßig mit »Steinberg« melden, als mir siedend heiß einfiel, dass ich ja anonym bleiben wollte.
»Hallo, hier Linda«, flötete ich daher. Hoffentlich klang meine Stimme sympathisch. Ich wagte kaum zu atmen.
Der Mann am anderen Ende der Leitung räusperte sich. »Hallo?«, es klang sichtlich verwirrt, »spreche ich mit Frau Dr. Steinberg?«
Ich hatte diese Stimme noch nie gehört. Woher kannte der »biedere Geschiedene« meinen Namen?
Ich stotterte ein kurzes »Ja-a …«
»Hier Professor Meierhofer. Universitätsklinik Wien. Guten Abend, Frau Kollegin. Entschuldigen Sie bitte meinen Anruf in Ihrer Privatwohnung. Aber ich nehme an, Sie sind darauf vorbereitet. Es geht um das Programm der Jahrestagung im Juni in Wien.«
Ich ließ mich auf Huberts Ohrensessel plumpsen. Das war nicht der »biedere Geschiedene«, so viel war klar. Wie war ich froh darüber! Oder war ich enttäuscht? Das war mir nicht klar. Und was die Wiener Uniklinik von mir wollte, das war mir völlig unklar.
Es klopfte an der Tür. Das war sicher Carla. Und ich war noch nicht fertig angezogen. »Ja!«, rief ich. Carla trat ein.
»Fein«, sagte der Wiener, »dann gehe ich gleich in medias res.«
Das war mir nur recht, wenn er sofort zur Sache kam, denn ich hatte keine Zeit. Carla winkelte bereits den Arm an und klopfte mit ungeduldiger Bewegung auf das Zifferblatt ihrer Uhr. Wir mussten uns beeilen. Ich deutete ihr, sich zu setzen. Carla zog die Augenbrauen hoch. Doch sie folgte, wenn auch widerwillig.
»Mit Kollegen Spörer ist abgestimmt, dass Sie über osseointegrierte Implantate sprechen werden. Ihr Vortrag ist für den 14. Juni geplant, um 11 Uhr 30, unmittelbar vor dem Lunch. Mein eigener Lichtbildvortrag ist für den Nachmittag angesetzt. Ich spreche über die neuesten Erkenntnisse der Prophylaxe in der Jugendzahnpflege …«
Während mir Professor – wie war sein Name? – lang und breit erläuterte, worüber er selbst zu sprechen gedachte, ergabdas Ganze für mich langsam Sinn. Wien war dieses Jahr Austragungsort des internationalen Zahnärztekongresses. Dieser fand einmal im Jahr statt. Immer in einem anderen Land. Und Zahnärzte aus allen fünf Kontinenten reisten zu diesem Kongress an. Die Vortragenden waren hochkarätig, die Themen vielfältig und der Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt besonders reizvoll. Meine Praxis stellte wiederholt Vortragende bei derartigen Treffen. In den letzten Jahren war dies meist mein Kollege Frank Spörer gewesen. Frank war der älteste Partner in unserer Praxis. Sein Wort hatte Gewicht. Er hatte mich vor Wochen einmal gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, über mein Spezialgebiet zu referieren. Aber er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er sich als Forum diesen großen Kongress vorstellte.
Carla war aufgestanden und strebte ungeduldig der Tür zu.
»Ich freue mich darauf, diesen Vortrag zu halten«, unterbrach ich etwas brüsk den Redefluss des Professors.
Meine Freundin blieb stehen und sah sich mit großen Augen zu mir um. Wahrscheinlich wunderte sie sich, dass ich mir zutraute, öffentlich zu sprechen. Ich, die in den letzen Jahren immer bescheiden im Hintergrund geblieben war. Im Rampenlicht immer Peter. Oder auch meine Freundinnen. Und jetzt lud man mich zu
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