Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
der mir in Zukunft bei meinen Einkäufen gute Dienste leisten sollte: Ich war ein »Sommer«.
Carla hatte bereits eine Farbberatung hinter sich: Sie war ein »Herbst«.
»Worin unterscheidet sich der Sommer vom Herbst?«
»Die Farben des Herbstes sind dunkel. Der Sommer liebt zarte Farben«, Frau Meiner hob die passenden Tücher in die Höhe: »Sie sind leicht und wirken ein wenig ›überpudert‹. Dieses Hellblau zum Beispiel. Das zarte Flieder oder Blaugrün. Sie finden auf Ihrer Farbpalette blaugrundige, zarte, gedeckte Farben – Himbeerrot, Malvenrot, Bordeauxrot, Mint und Wollweiß.«
Das bedeutete: kein Schwarz. Das bedeutete statt des gelblichen Beige, das ich bisher getragen hatte, ein Graubraun. Das bedeutete, wenn ich es mir recht überlegte, drei Viertel des Kleiderschrankinhaltes gehörte in die Altkleidersammlung, oder ich schenkte sie Schwester Mathilde für ihre Schwiegermutter. Die alte Dame hatte meine Größe und freute sich immer über meine abgelegten Sachen. Bisher war mir das nicht seltsam vorgekommen, dass eine Siebzigjährige in meinen Sachen dem Alter entsprechend gekleidet war. Noch dazu eine Siebzigjährige, die nicht zur Generation der Junggebliebenen gehörte! Das würde sich jetzt ändern! Und zwar schnell! Ich würde mir eine Garderobe zulegen, die Schwester Mathildes Schwiegermutter nie und nimmer anrühren würde. Ich musste lächeln – was für eine absurde, aber doch hoch erfreuliche Vorstellung.
Am Ende des Nachmittags hatte ich beim Optiker in der Geschäftspassage eine neue Brille bestellt. Eine schlichte,eckige Fassung in eben jenem Braun, das mir so gut stand und das die Farbe meiner Augen unterstrich. Dieses Braun war auch die wirkliche Farbe meiner Haare – nur ein paar Nuancen heller. Das hatte ich fast schon vergessen: In den letzten Jahren hatte ich stets versucht, meine lange Mähne mit einem Rotton aufzupeppen. Völlig falsch, wie mir nun erklärt wurde. Sommertypen wie ich brauchen einen Aschton im Haar. Keinen so starken Aschton wie Wintertypen, aber immerhin. Wer kam schon auf die Idee, seinen Haaren freiwillig eine Farbe zu geben, die »aschig« hieß? Nun bekam ich meinen Aschton – beim Friseur im Erdgeschoss. Und ich musste sagen: Es sah toll aus. Vor allem zu meinem neuen, kinnlangen Stufenschnitt. Meine langen Haare waren ab. Was für ein neues Gefühl am Kopf! Kein langes Föhnen mehr am Morgen. Kein Aufstecken mit seit vielen Jahren geübten Griffen. Mein Kopf fühlte sich leicht an und beschwingt. Bereit für ein neues Abenteuer! Natürlich war ich auch bereit, Frau Meiner in den angrenzenden Jeansshop zu folgen.
Apropos Abenteuer: höchste Zeit, an meine eigentliche Mission zu denken: »Sie sagten, Sie seien der Liebe wegen in die Stadt gekommen«, begann ich völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich war gerade dabei, in eine enge Jeans zu schlüpfen, der ersten seit – ich weiß nicht wie vielen Jahren. Frau Meiner hatte mir dazu ein himbeerrotes und ein rauchblaues T-Shirt in die Kabine gereicht. Nun wartete sie geduldig hinter dem Vorhang. »Hat es sich gelohnt?«
Das war wohl ziemlich direkt. Hoffentlich nahm sie mir meine Frage nicht übel. Und hoffentlich sagte sie: »Nein, leider. Es war doch nicht die große Liebe. Wir haben uns getrennt.«
»Und ob es sich gelohnt hat«, sagte sie stattdessen und lachte. Ihr strahlendes Gesicht erschien durch den Spalt im Vorhang. »Wolfram ist der perfekte Partner für mich. Der Mann, nach dem ich immer gesucht habe. Das klingt jetzt kitschig, nicht wahr? Aber es stimmt. Er ist mein Seelenverwandter.Ich habe mir nach dem Desaster meiner ersten Ehe fest vorgenommen, nie wieder zu heiraten. Doch stellen Sie sich vor, bei Wolfram bin ich schwach geworden! Es weiß noch niemand: Aber wir werden im Herbst vor den Traualtar treten.«
Ich konnte nur hoffen, nicht allzu entsetzt geblickt zu haben. Und beeilte mich, ein »Herzlichen Glückwunsch« zu murmeln. Was hatte ich denn erwartet? Warum sollte dieser absolute Traumtyp ausgerechnet auf mich gewartet haben?
»Steht Ihnen toll, das rote T-Shirt«, unterbrach Margarite Meiner meine Gedanken, deren Inhalt sie zum Glück nicht kannte. »Sie sehen gleich viel jünger und frischer aus. Aber schlüpfen Sie zur Sicherheit auch noch in das blaue. Vielleicht ist es ja noch besser.«
Schließlich nahm ich beide T-Shirts und die Jeans und eine Jeansjacke obendrauf. Die ideale Kombination für das Frühjahr. War das bereits ein Frustkauf? Wolfram war also weg,
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