Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
vergeben, so gut wie verheiratet: Mist, Mist, Mist!
»Wenn Sie möchten, komme ich in den nächsten Tagen bei Ihnen vorbei und helfe Ihnen, Ihren Kleiderschrank zu entrümpeln«, schlug Frau Meiner vor. Es war längst dunkel geworden, als wir in ihr Studio zurückkehrten. Die Idee fand ich großartig. Ich selbst hätte mit Sicherheit nicht das Herz gehabt, all die Kleider, Kostüme, Blazer und Jacken wegzugeben, auch wenn sie mir nicht standen. Allerdings: In den letzten Jahren hatte ich mir nur das Notwendigste zum Anziehen geleistet. Meine Kinder, meine Arbeit, meine Erinnerungen an Peter waren mir wichtiger gewesen als ein Aussehen nach der neusten Mode. Es wurde höchste Zeit, dass wieder frischer Wind in meine Klamotten kam. Wir vereinbarten einen Termin für Mittwoch in zwei Wochen. Kleiderschrank entrümpeln und eine neue Garderobe planen, das war das richtige Programm für einen freien Nachmittag.
Nun ließ es mir doch keine Ruhe: »Wie haben Sie Ihren Wolfram kennen gelernt?«
Meine Beraterin hatte mir schon die Hand zum Abschied gereicht. Wir hatten einen lustigen Tag miteinander verbracht. Ich dachte, ich könne mir auch eine weitere offene Frage erlauben. Außerdem interessierte es mich brennend. In welchen Lokalen trieben sich solche Traummänner wie Wolfram herum?
Frau Meiner schien ein klein wenig verlegen: »Sie werden lachen, wir lernten uns durch das Internet kennen. Ich stellte eines Abends – mehr so aus Spaß und Neugierde – meinen Steckbrief auf eine Singleseite. Ich hegte keine großen Erwartungen. Doch am nächsten Tag hatte ich vierundzwanzig Zuschriften. Und am übernächsten noch einmal zwölf. Da war Wolfram noch nicht dabei – aber ich habe höchst interessante Leute kennen gelernt. Manfred zum Beispiel, einen Banker. Mit dem bin ich heute noch gut befreundet. Und Wolfram mag ihn auch. Als ich merkte, dass bei den sechsunddreißig Männern noch nicht der Richtige dabei war, habe ich einen neuen Versuch gestartet. Und wieder kamen zahlreiche Zuschriften. Eine davon war von Wolfram. Man darf nur nicht aufgeben.«
»Solche Männer gibt es im Internet?«
»Ja, natürlich. Heutzutage haben doch die meisten Menschen im Lande schon einen Internetanschluss. Und viele wollen ausprobieren, was das Netz so alles kann. Ich sage Ihnen: Es wird die Zeit kommen, da lernen sich die meisten Leute übers Internet kennen. Glauben Sie mir ruhig – Sie werden noch an meine Worte denken«, fügte sie hinzu, als sie meinen ungläubigen Blick bemerkte. »Wie heißt es so schön? Der erste Eindruck zählt. Ein junges Mädchen mit langen, schlanken Beinen geht an einen Badesee. Oder in eine Disco. Eine Frau in unserem Alter überzeugt durch Humor und Esprit. Und wo sollte beides besser zum Tragen kommen als durch das geschriebene Wort?«
»Ja, aber«, warf ich ein, »im Internet treiben sich doch jede Menge Scharlatane und Lügner herum, Perverse …«
»Nicht mehr als im wirklichen Leben auch.«
Diese Antwort hatte etwas für sich.
»Aber die Anonymität. Man weiß doch nie, wer wirklich am anderen Ende sitzt. Da können sich Zwölfjährige einen Spaß erlauben und sich für sexy und fünfundzwanzig ausgeben. Und sechzigjährige Männer schreiben, sie seien dreißig. Oder verheiratete Männer, die nur ein schnelles Abenteuer suchen, geben vor, sie seien auf der Suche nach einer Partnerin …« Ich merkte, wie ich mich ereiferte.
»Scharlatane, Lügner und Männer, die auf einen One-Night-Stand aus sind, erkennen Sie schnell. Denken Sie, diesen Leuten macht es Spaß, sich mit Ihnen auf einen intensiven E-Mail-Austausch einzulassen? Die geben sofort auf, wenn Sie nicht nach der zweiten E-Mail bereit sind, Ihre Telefonnummer herauszurücken. Nein, nein, im Gegenteil: Die Anonymität hat viel Gutes. Niemand weiß, wer Sie sind. Jeder kennt nur Ihren »Nickname«. Durch die E-Mails erfährt man viel voneinander. Lernt sich in kürzerer Zeit besser kennen, als man dies im direkten Kontakt je könnte. Hat man eine Zeit lang hin- und hergeschrieben und Lust auf mehr bekommen, wird man telefonieren. Telefonieren ist unbedingt notwendig. Die Stimme sagt viel aus. Wie spricht er? Wie lacht er? Was hat er zu sagen? Da bekommt man einen noch viel intensiveren Eindruck. Ich hatte mir übrigens extra ein Handy für diese Anrufe zugelegt. War sehr praktisch.« Frau Meiner ließ ein fröhliches Lachen ertönen. »Mit manchen habe ich stundenlang telefoniert, bevor wir uns trafen. Einer machte mir dabei sogar eine
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