Vom Kriege
Besiegten mehr oder weniger, die letzten nicht, und deshalb finden sie sich gewöhnlich nur auf der einen Seite des Kampfes, oder wenigstens dort nur in bedeutender Überzahl.
Kanonen und Gefangene sind darum jederzeit als die wahren Trophäen des Sieges betrachtet worden und zugleich als der Maßstab desselben, weil sich an ihnen sein Umfang unzweifelhaft kundtut. Selbst der Grad der moralischen Überlegenheit geht daraus besser hervor als aus irgendeinem anderen Verhältnis, besonders wenn damit die Zahl der Toten und Verwundeten verglichen wird, und hier entsteht eine neue Potenz moralischer Wirkungen.
Wir haben gesagt, daß sich die im Gefecht und seinen ersten Folgen zugrunde gerichteten moralischen Kräfte nach und nach wieder herstellen und oft keine Spur ihrer Zerstörung lassen; dies ist der Fall bei kleinen Abteilungen des Ganzen, seltener bei großen; es kann auch bei diesen im Heere der Fall sein, aber selten oder nie im Staat und der Regierung, denen dies Heer angehört. Hier schätzt man das Verhältnis mit mehr Unparteilichkeit und von einem höheren Standpunkt ab und erkennt in dem Umfange der dem Feinde gebliebenen Trophäen und dem Verhältnis derselben zum Verlust an Toten und Verwundeten nur zu leicht und gut den Grad der eigenen Schwäche und Unzulänglichkeit.
[210] Überhaupt dürfen wir das verlorene Gleichgewicht der moralischen Kräfte darum, weil es keinen absoluten Wert hat und nicht unfehlbar in der endlichen Summe der Erfolge erscheint, nicht geringachten; es kann von einem so überwiegenden Gewicht werden, daß es mit der unwiderstehlichen Gewalt alles niederwirft. Es kann darum auch oft ein großes Ziel des Handelns werden, wovon wir an anderen Orten sprechen wollen. Hier müssen wir noch einige ursprüngliche Verhältnisse desselben betrachten.
Die moralische Wirkung eines Sieges nimmt zu mit dem Umfang der Streitkräfte, nicht bloß in gleichem Maße, sondern in steigenden Graden, nämlich nicht bloß an Umfang, sondern auch an intensiver Stärke. In einer geschlagenen Division ist die Ordnung leicht wieder hergestellt. Wie ein erstarrtes einzelnes Glied sich an dem übrigen Körper leicht wieder erwärmt, so wird der Mut einer geschlagenen Division an dem Mute des Heeres leicht wieder gehoben, sobald sie zu demselben stößt. Verschwinden also die Wirkungen des kleinen Sieges nicht ganz, so gehen sie doch dem Gegner zum Teil verloren. So ist es nicht, wenn das Heer selbst in einer unglücklichen Schlacht erlag; da stürzt eins mit dem andern zusammen. Ein großes Feuer erreicht einen ganz andern Grad der Hitze als mehrere kleine.
Ein anderes Verhältnis, welches das moralische Gewicht des Sieges bestimmen sollte, ist das Verhältnis der Streitkräfte, welche miteinander gefochten haben. Viele mit wenigen zu schlagen, ist nicht nur ein doppelter Gewinn, sondern zeigt auch eine größere, besonders eine allgemeinere Überlegenheit, welcher der Besiegte immer wieder zu begegnen fürchten muß. Gleichwohl ist in der Wirklichkeit dieser Einfluß in einem solchen Fall kaum merklich. In dem Augenblicke des Handelns ist die Überzeugung von der wirklichen Stärke des Gegners gewöhnlich so unbestimmt, die Abschätzung der eigenen gewöhnlich so unwahr, daß der Überlegene das Mißverhältnis entweder gar nicht oder doch lange nicht in voller Wahrheit zugibt, wodurch er dem moralischen Nachteil, welcher für ihn daraus entspringen würde, größtenteils entgeht. Erst später, in der Geschichte pflegt jene Kraft aus der Unterdrückung, in welcher sie Unwissenheit, Eitelkeit oder auch besonnene Klugheit gehalten haben, aufzutauchen, und dann verherrlicht sie wohl das Heer und seinen Führer, aber sie kann dann mit ihrem moralischen Gewicht nichts mehr für die längst abgelaufenen Ereignisse tun.
Sind Gefangene und eroberte Geschütze diejenigen Dinge, in welchen der Sieg hauptsächlich Körper gewinnt, seine wahren Kristallisationen, so wird auch die Anlage des Gefechts vorzugsweise darauf berechnet sein; die Vernichtung des Gegners durch Tod und Wunde erscheint hier als ein bloßes Mittel.
Welchen Einfluß dies auf die Anordnungen im Gefecht hat, das geht die Strategie nichts an, aber die Feststellung des Gefechts selbst steht damit schon in Verbindung, und zwar durch die Sicherheit des eigenen Rückens und die Gefährdung des feindlichen. Von diesem Punkt hängt die Zahl der Gefangenen und der eroberten Geschütze in einem hohen Grade ab, und [211] diesem Punkt kann in manchen
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