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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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Fällen die Taktik allein nicht genügen, wenn nämlich die strategischen Verhältnisse ihr zu sehr entgegen sind.
    Die Gefahr, sich von zwei Seiten schlagen zu müssen, und die noch drohendere, keinen Rückzug zu behalten, lähmen die Bewegungen und die Kraft des Widerstandes und wirken auf die Alternative von Sieg und Niederlage; ferner steigern sie bei der Niederlage den Verlust und treiben ihn oft bis an die äußerste Grenze, d. h. bis zur Vernichtung. Der bedrohte Rücken macht also die Niederlage zugleich wahrscheinlicher und entscheidender.
    Hieraus entsteht also ein wahrer Instinkt für die ganze Kriegführung und besonders für die großen und kleinen Gefechte: nämlich die Sicherung des eigenen Rückens und die Gewinnung des feindlichen; er folgt aus dem Begriff des Sieges, der, wie wir gesehen haben, noch etwas anderes als bloßes Totschlagen ist.
    In diesem Streben sehen wir also die erste nähere Bestimmung des Kampfes, und zwar eine ganz allgemeine. Es ist kein Gefecht denkbar, in welchem dasselbe nicht in seiner doppelten oder einfachen Gestalt neben dem bloßen Stoß der Gewalt einhergehen sollte. Nicht die kleinste Abteilung wird sich je auf ihren Gegner werfen, ohne an ihren Rückzug zu denken, und in den meisten Fällen wird sie den feindlichen suchen.
    Wie oft in verwickelten Fällen dieser Instinkt verhindert ist, den geraden Weg zu gehen, wie oft er in der Schwierigkeit anderen, höheren Betrachtungen weichen muß, das würde uns hier zu weit führen; wir bleiben dabei stehen, ihn als ein allgemeines Naturgesetz des Gefechts aufzustellen.
    Er ist also überall wirksam, drückt überall mit seinem natürlichen Gewicht und wird so der Punkt, um welchen sich fast alle taktischen und strategischen Manöver drehen.
    Werfen wir jetzt noch einen Blick auf den Gesamtbegriff des Sieges, so finden wir darin drei Elemente:
    1. den größeren Verlust des Gegners an physischen Kräften,
    2. an moralischen,
    3. das öffentliche Bekenntnis davon, indem er seine Absicht aufgibt.
    Über den Verlust an Toten und Verwundeten sind die gegenseitigen Berichte nie genau, selten wahrhaft und in den meisten Fällen voll absichtlicher Entstellung. Selbst die Zahl der Trophäen wird selten ganz zuverlässig angegeben, und wo sie also nicht sehr bedeutend ist, kann auch sie noch Zweifel des Sieges übrig lassen. Von dem Verlust an moralischen Kräften läßt sich außer den Trophäen gar kein gültiges Maß angeben; es bleibt also in vielen Fällen das Aufgeben des Kampfes als der einzig wahre Beweis des Sieges allein übrig. Es ist also das Bekenntnis der Schuld als das Senken des Paniers zu betrachten, wodurch dem Gegner Recht und Überlegenheit in diesem einzelnen Falle eingeräumt wird, und diese Seite der Demütigung und Scham, welche von allen übrigen moralischen Folgen des umschlagenden [212] Gleichgewichts noch zu unterscheiden bleibt, ist ein wesentliches Stück des Sieges. Dieser Teil allein ist es, welcher auf die öffentliche Meinung außer dem Heere wirkt, auf Volk und Regierung in beiden kriegführenden Staaten und in allen beteiligten andern.
    Nun ist aber das Aufgeben der Absicht nicht gerade identisch mit dem Abzug vom Schlachtfelde, selbst da, wo der Kampf hartnäckig und anhaltend geführt worden ist; niemand wird von Vorposten, welche sich nach einem hartnäckigen Widerstande zurückziehen, sagen, sie hätten ihre Absicht aufgegeben; selbst in Gefechten, welche die Vernichtung der feindlichen Streitkraft zur Absicht haben, kann der Abzug vom Schlachtfelde nicht stets wie ein Aufgeben dieser Absicht angesehen werden, z. B. bei vorher beabsichtigten Rückzügen, bei welchen das Land Fuß für Fuß streitig gemacht wird; es gehört dies alles dahin, wo wir von dem besonderen Zweck der Gefechte sprechen werden; hier wollen wir bloß darauf aufmerksam machen, daß in den meisten Fällen das Aufgeben der Absicht von dem Abzuge vom Schlachtfelde schwer zu unterscheiden, und daß der Eindruck, welchen jenes in und außer dem Heere hervorbringt, nicht gering zu schätzen ist.
    Für Feldherren und Heere, die nicht einen gemachten Ruf haben, ist dies eine eigene, schwierige Seite mancher, sonst in den Umständen gegründeten Verfahrungsarten, wo eine Reihe mit Rückzug endigender Gefechte als eine Reihe von Niederlagen erscheinen kann, ohne es zu sein, und wo dieses Erscheinen von sehr nachteiligem Einfluß werden kann. Es ist dem Ausweichenden in diesem Fall nicht möglich, durch die Darlegung seiner

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