Vom Kriege
auf diese Weise die vollkommenste Freiheit gewonnen hat. Zwar werden die Schwierigkeiten in einer Richtung größer sein als in einer andern, und dies kann in der Waagschale der Überlegung etwas gelten, aber niemals wird man auf eine absolute Unmöglichkeit stoßen, und niemals wird die Rücksicht, die man dem Unterhalt widmet, gebieterisch entscheiden. Nur ein Verhältnis macht hiervon eine Ausnahme: es sind die Rückzüge in Feindesland. Hier treffen sehr viele der Verpflegung ungünstige Bedingungen zusammen. Die Bewegung ist eine fortschreitende, und zwar gewöhnlich ohne sonderlichen Aufenthalt; es ist also keine Zeit, Vorräte zusammenzubringen; die Umstände, unter welchen man einen solchen Rückzug antritt, sind meistens schon sehr ungünstig, man ist also genötigt, stets in Masse beisammenzubleiben, und es kann darum gewöhnlich von keiner Verteilung in Quartieren oder von einer beträchtlichen Ausbreitung in Kolonnen die Rede sein; das feindliche Verhältnis des Landes erlaubt nicht, durch bloße Ausschreibungen ohne exekutive Gewalt Vorräte zusammenzubringen, und endlich ist der Moment an sich noch besonders geeignet, den Widerstand und üblen Willen der Landesbewohner herauszufordern. Alles dies macht, daß man in solchen Fällen in der Regel auf die eingerichteten Verbindungs- und Rückzugslinien beschränkt ist.
Als Bonaparte 1812 seinen Rückzug antreten wollte, konnte dies durchaus nur auf der Straße geschehen, auf welcher er gekommen war, und zwar wegen des Unterhalts, weil er auf jeder andern noch früher und unzweifelhafter zugrunde gegangen wäre, und alles, was sogar französische Schriftsteller Tadelndes darüber gesagt haben, ist auf das äußerste unverständig.
Der Unterhalt aus Magazinen
Sollte diese Verpflegungsart sich von der vorigen noch generisch unterscheiden, so könnte es nur bei einer solchen Einrichtung sein, wie sie in dem letzten Drittel des siebzehnten und während des achtzehnten Jahrhunderts stattgefunden hat. Wird diese Einrichtung je wiederkehren können?
Freilich begreift man kaum, wie es anders sein könnte, wenn man sich den Krieg mit großen Heeren 7, 10, 12 Jahre lang auf einer Stelle gebannt denkt, wie das in den Niederlanden, am Rhein, in Oberitalien, in Schlesien und Sachsen vorgekommen ist; denn welches Land könnte so lange das Hauptorgan des Unterhaltes der gegenseitigen Heere bleiben, ohne völlig zugrunde zu gehen, also seinen Dienst nach und nach zu versagen?
Aber hier entsteht natürlich die Frage: wird der Krieg das Verpflegungssystem oder das Verpflegungssystem den Krieg bestimmen? Wir antworten: [320] zuerst wird das Verpflegungssystem den Krieg bestimmen, soweit es die übrigen Bedingungen, von denen er abhängt, gestatten; wo diese aber anfangen, zu viel Widerstand zu leisten, wird der Krieg auf das Verpflegungssystem zurückwirken und in diesem Fall also dasselbe bestimmen.
Der auf das Lieferungssystem und die örtliche Verpflegung gegründete Krieg hat eine solche Überlegenheit über den Krieg mit der bloßen Magazinverpflegung, daß dieser gar nicht mehr als dasselbe Instrument erscheint. Kein Staat wird es also wagen, mit diesem gegen jenen aufzutreten, und gäbe es irgendwo einen Kriegsminister, der beschränkt und unwissend genug wäre, die allgemeine Notwendigkeit dieser Verhältnisse zu verkennen und das Heer bei Eröffnung des Krieges auf die alte Weise auszurüsten, so würde die Gewalt der Umstände den Feldherrn bald mit sich fortreißen, und das Lieferungssystem sich von selbst hervordrängen. Bedenkt man dabei noch, daß der große Kostenaufwand, welchen eine solche Einrichtung verursacht, notwendig den Umfang der Rüstungen, die Masse der Streitkräfte verringern muß, weil kein Staat überflüssig mit Geld versehen ist, so läßt dies fast keine andere Möglichkeit einer solchen Ausrüstung zu, als wenn etwa beide kriegführende Parteien sich diplomatisch darüber einigen wollten, ein Fall, der als ein bloßes Spiel der Vorstellungen betrachtet werden muß.
Es werden also die Kriege fortan wohl immer mit dem Lieferungssysteme anfangen; wieviel die eine oder andere der Regierungen tun will, um dasselbe durch künstliche Einrichtungen zu ergänzen, ihr eigenes Land mehr zu schonen usw., mag dahingestellt bleiben; allzuviel wird es wohl nicht sein, weil man in solchen Augenblicken immer auf die dringendsten Bedürfnisse zuerst geführt wird und ein künstliches Verpflegungswesen zu diesen nicht mehr gehört.
Wenn nun aber ein
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