Vom Kriege
Krieg in seinen Erfolgen nicht so entscheidend, in seinen Bewegungen nicht so weit ausgreifend ist, als es eigentlich in seiner Natur liegt, so wird das Lieferungssystem anfangen, die Gegend dergestalt zu erschöpfen, daß man entweder Frieden schließen oder Einrichtungen zur Erleichterung des Landes und zum unabhängigeren Unterhalt des Heeres treffen muß. Dies letztere war der Fall der Franzosen unter Bonaparte in Spanien; aber viel häufiger wird das erstere eintreten. In den meisten Kriegen nimmt die Erschöpfung der Staaten so sehr zu, daß sie, anstatt auf den Gedanken einer kostbareren Kriegführung zu kommen, vielmehr zu der Notwendigkeit des Friedens hingedrängt sein werden. So wird denn die neuere Kriegführung auch von dieser Seite zu dem Resultat führen, die Kriege abzukürzen.
Wir wollen indessen die Möglichkeit von Kriegen mit der alten Verpflegungseinrichtung nicht ganz allgemein leugnen; wo die Natur der Verhältnisse von beiden Seiten dazu hindrängt, und andere begünstigende Umstände eintreten, wird sie sich vielleicht wieder einmal zeigen; aber wir können nur in dieser Form niemals einen naturgemäßen Organismus finden; sie ist vielmehr nur eine Abnormität, welche die Umstände zulassen, die aber aus der eigentlichen Bedeutung des Krieges nie hervorgehen kann. Noch weniger [321] können wir diese Form deswegen, weil sie menschenfreundlicher ist, für eine Vervollkommnung des Krieges halten, denn der Krieg ist selbst nichts Menschenfreundliches.
Welche Verpflegungsweise aber auch gewählt werden mag, es ist natürlich, daß sie in reichen und bevölkerten Gegenden leichter wird als in armen und menschenleeren. Daß auch die Bevölkerung dabei in Betrachtung kommt, liegt in der doppelten Beziehung, welche sie auf die im Lande vorhandenen Vorräte hat; einmal, indem da, wo viel verzehrt wird, auch viel vorrätig sein muß, zweitens, indem in der Regel auch bei größerer Bevölkerung eine größere Produktion ist. Hiervon machen nun freilich solche Bezirke, die vorzüglich von Fabrikarbeitern bevölkert sind, eine Ausnahme, besonders wenn sie, wie das nicht selten der Fall ist, in Gebirgstälern bestehen, die von unfruchtbarem Boden umgeben sind; allein, in der Allgemeinheit der Fälle ist es immer sehr viel leichter, in einem bevölkerten Lande für die Bedürfnisse eines Heeres zu sorgen, als in einem menschenarmen. 400 Quadratmeilen, auf denen 400000 Menschen leben, werden, wenn sie auch noch so fruchtbaren Boden haben, gewiß nicht so leicht 100000 Köpfe eines Heeres übertragen können, als 400 Quadratmeilen, auf denen 2 Millionen leben. Dazu kommt, daß in sehr bevölkerten Ländern Straßen- und Wasserverbindungen häufiger und besser, die Mittel des Transports reichlicher, die Handelsverbindungen leichter und sicherer sind. Mit einem Wort: es ist unendlich viel leichter, ein Heer in Flandern als in Polen zu ernähren.
Die Folge ist, daß der Krieg mit seinem vierfachen Saugrüssel sich am liebsten auf Hauptstraßen, in volkreichen Städten, fruchtbaren Tälern großer Ströme oder längs der Küste befahrener Meere niedersenkt.
Hieraus wird die allgemeine Einwirkung klar, welche der Unterhalt des Heeres auf die Richtung und Form der Unternehmungen, auf die Wahl der Kriegstheater und der Verbindungslinien haben kann.
Wie weit dieser Einfluß gehen, welchen Wert die Schwierigkeit oder Leichtigkeit des Unterhalts in der Rechnung bekommen darf, das hängt freilich sehr von der Art ab, wie der Krieg geführt werden soll. Geschieht dies in seinem eigentlichsten Geist, d. h. mit der ungezügelten Stärke seines Elements, mit dem Drange und Bedürfnis nach Kampf und Entscheidung, so ist der Unterhalt des Heeres eine wichtige, aber untergeordnete Sache; findet aber ein Äquilibrieren statt, wo die Heere in derselben Provinz viele Jahre hin- und herziehen, dann wird die Verpflegung oft die Hauptsache, der Intendant wird der Feldherr, und die Leitung des Krieges eine Administration der Wagen.
So gibt es unzählige Feldzüge, wo nichts geschehen, der Zweck verfehlt, die Kräfte unnütz verbraucht sind und alles mit dem Mangel an Lebensmitteln entschuldigt wird; dagegen pflegte Bonaparte zu sagen: qu’on ne me parle pas des vivres!
Freilich hat dieser Feldherr im russischen Feldzuge evident gemacht, daß man diese Rücksichtslosigkeit zu weit treiben kann, denn, um nicht zu sagen, [322] daß sein ganzer Feldzug vielleicht bloß dadurch zuschanden geworden ist, welches doch am Ende eine
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