Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
wechseln,
ahnte ich, dass er sein Gefährt nicht aus den Augen lassen wollte. Flink holte ich
meine Handtasche und lief zu ihm. Sollte ich Jan gleich um den Hals fallen? Nein,
nichts überstürzen. Möglichst gleichgültig fragte ich: »Ist das dein Auto?«
»Wieso?
Gefällt dir der Wagen nicht?«
»Doch, doch.«
»Steig ein,
Valeska, wir fahren zu mir.«
Ben machte
sich keine Gedanken um Autodiebe und wartete mit gesenktem Kopf an der Gartenpforte,
wohl in der Annahme, dass es im BMW Platz genug für uns drei gäbe. Der Meinung war
ich nicht, ich verwehrte ihm das Vergnügen, sich auf dem Rücksitz aus feinstem Leder
zu wälzen, band stattdessen seine Leine an einen Baum, was er mit einem melancholischen
Blick quittierte. Dann stieg ich ein, Jan fuhr sofort los und ließ den Wagen die
staubige Straße hinunterrollen. Hin und wieder blickte er nach hinten.
»Keine Sorge,
er wird uns nicht folgen«, sagte ich. »Dafür ist er zu faul.«
»Und dein
Reisebegleiter? Wo ist der?«
»Seit Stunden
erkundet er die Gegend.«
»Aha, ein
Naturliebhaber. Was tut er sonst so?«
»Kurt? Kurt
ist Privat… ist also …«, ich stockte. Sollte ich sagen, dass ich mit einem angehenden
Privatdetektiv unterwegs war? ›Wieso ist er mitgekommen‹, würde man fragen, ›um
eine Studie über hiesige Verbrechen durchzuführen?‹. Ich räusperte mich. »Kurt ist
so eine Art Privatgelehrter.«
»Nein, Sachen
gibt’s auf der Welt!«
Hatte ich
richtig gehört? Klang Jan ein bisschen gereizt? »Bist du eifersüchtig?«
»Wieso?
Was verdient so ein Privatgelehrter?«
»Nicht viel.«
»Na also,
warum sollte ich eifersüchtig sein?«
Aus seinem
Handschuhfach fischte er eine Zigarre und steckte sie sich zwischen die Zähne. »Eine
Montecristo aus Kuba, ein Stück kostet mehr als 100 Złoty. Für dich habe ich auch
etwas. Persönlich ausgesucht.«
Behutsam
legte er eine flache, quadratische Schatulle auf meine Knie. ›Auf eine gute Zusammenarbeit‹
stand in kalligrafischer Schrift darauf. Darunter ein Firmenstempel und eine unlesbare
Unterschrift. Vor meinem inneren Auge sah ich nette glänzende Objekte, die unschuldig
auf blauem Samt lagen und nur darauf warteten, dass ich sie um den Hals legte. Behutsam
öffnete ich die geheimnisvolle Schatulle. Hellsehen war wohl doch nicht meine Stärke.
Auf Seidenpapier entdeckte ich … Zigarillos. Ich tat begeistert und steckte mir
einen in den Mund. Jan gab mir Feuer, ich nahm einen tiefen Zug. Zuerst räusperte
ich mich, dann hustete ich. Als ich Schweißausbrüche bekam, drückte ich den Zigarillo
im Aschenbecher aus. »Schmeckt fantastisch. Schade nur, dass ich mit dem Rauchen
aufgehört habe.«
»Macht nichts.
Das nächste Mal treffe ich deinen Geschmack, du wirst staunen.«
Hoffentlich,
ich ließ mich gern überraschen, es sei denn, Jan meinte eine andere Zigarillomarke.
Wir sausten ins Tal hinunter, durchquerten die Stadt und erreichten die Straße,
die zur Siedlung mit den vielen hysterischen Hunden hinaufführte. Mit keinem Wort
erwähnte ich, dass ich bereits am Tag zuvor hier gewesen war und die Überwachungskamera
vergeblich angebetet hatte. Diesmal lief alles reibungslos, Jan betätigte eine Fernbedienung,
woraufhin das Tor von Haus Nr. 14 aufging, der Wagen rollte hindurch und mir stockte
der Atem. Ein antiker Tempel inmitten eines Säulenwalds, so was wird tatsächlich
nicht in jedem beliebigen Katalog als Musterhaus angeboten. Jan stieg aus, hielt
mir die Tür auf, graziös stellte ich meine Füße auf einen gepflegten Rasen. Das
Haus wirkte vor dem Hintergrund der heimischen Berge wie eine Theaterkulisse. Es
fehlte nur noch eine Arena für Gladiatorenkämpfe. Ich erschauderte. »Das ist also
dein Haus, Jan?«
»Einmalig,
nicht wahr?«
»Und du
wohnst hier?«
»Was dachtest
du? Dass ich hier als Gärtner arbeite?«
»Oh nein,
wie kommst du darauf! Ich frage mich bloß, wie du das alles … Ich meine, womit hast
du dein Geld verdient? Und wie?«
»Das ist
eine lange Geschichte. Gleich erzähle ich dir alles.« Jan nahm seine Zigarre aus
dem Mund. »Valeska, ich habe in all diesen Jahren oft an dich gedacht.«
»Ach ja,
woran denn besonders?«
»Du warst
immer so … so …«, er sah mich sehnsüchtig an, »so klug.«
Sofort begriff
ich, worum es ging. Es war ein unbeholfener Annäherungsversuch. Er sehnte sich nach
körperlicher Nähe, hatte jedoch keine Worte dafür. Nun war Fingerspitzengefühl erforderlich.
Darin bin ich eine wahre Meisterin. Mit einem
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