Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
mimte Tiefschlaf.
»Was ist
denn jetzt? Das ist doch dein Lieblingsfutter.«
Die Pensionswirtin,
eine kecke Mütze auf dem Kopf mit der Aufschrift ›Berliner Wasserwerke‹, kam mit
einem Korb voll leerer Flaschen aus der Garage heraus. »Sie müssen sich zum Eimer
bücken, Frau Lem, und dabei laut schmatzen. Und wenn er kommt, schubsen Sie ihn
einfach weg. Das macht ihn wütend und hungrig. Futterneid, verstehen Sie.«
Entschlossen
steckte ich meinen Kopf tief in den Eimer, wo es entsetzlich stank, und schmatzte,
als würde ich mit Wonne den Inhalt verschlingen. Ungestört hätte ich mich satt essen
können, wenn ich auf penetrant riechenden Gemüsebrei mit Rind stünde. Mein Hund
rührte sich nicht.
»Dann ist
er im Stress«, hörte ich sie sagen. »Letztes Jahr bekam ich auch keinen Bissen runter.
Wegen meiner Scheidung.«
»Hunde lassen
sich nicht scheiden. Nicht mal in Berlin«, sagte ich aus der Tiefe des Eimers.
»Noch nicht!
Aber vielleicht bald. Wundern würde es mich in eurem sündigen Land nicht, schließlich
können bei euch auch zwei Männer heiraten.«
»Warum denn
nicht? Gleich und gleich gesellt sich gerne.«
»Also, wie
können Sie bloß so ruhig darüber reden, Frau Lem. Als Frau finde ich das Thema unmöglich.
Zwei Männer! Eure Frauen beneide ich wirklich nicht.«
Ich zog
meinen Kopf aus dem Eimer und atmete tief durch. »Wieso? Zwei Frauen können auch
heiraten.«
Anscheinend
fand sie keine Worte für ihre moralische Empörung, sie stand mit geöffnetem Mund
da, der Korb in ihrer Hand zitterte und die Flaschen klirrten. Unbeeindruckt riss
ich eine neue Packung Hundefutter mit dem Bild einer glücklichen Bulldogge und dem
Versprechen ›Es riecht verlockend‹auf. Die Wirtin rümpfte die Nase. Um ihr
weiteren Gram zu ersparen, brachte ich meine Kochutensilien und einen neuen Eimer
an eine vom Wind intensiv belüftete Stelle in der Gartenecke. Beide, die Wirtin
und der Hund, waren im Nu bei mir. Ben nahm seine Kampfstellung ein und knurrte
den Holzzaun an. An seine Tricks bin ich gewöhnt. »Ben, nicht ablenken lassen. Mach
jetzt nicht auf Wachhund.«
Ich schüttete
den Inhalt der neuen Packung ins Wasser, Ben vergaß seinen ›Wachauftrag‹, näherte
sich dem Eimer und beschnupperte das Mahl. Doch ein Rascheln jenseits des Zauns
ließ ihn aufhorchen.
»Die Wiese
hinterm Zaum erstreckt sich bis zum Wald«, erklärte die Wirtin. »Manchmal kommen
Tiere bis ans Haus. Rehe zum Beispiel. Ein Hund kann so was spüren.«
»Jetzt sind
es plötzlich Rehe«, ich spottete. »Nehmen Sie diesen Wachschutzneurotiker nicht
in Schutz.«
Sie rüttelte
am Zaun. »Hau ab, du blödes Vieh. Du elender Versager!«
»Jetzt übertreiben
Sie, Frau Kochmann. Was haben Sie gegen die Tiere?«
»Das sind
keine Rehe. Mein Exmann schleicht ums Haus herum. Aber vor ihm brauchen Sie keine
Angst zu haben, er ist ungefährlich. Ein Versager halt! Kein Thema, reden wir nicht
darüber.«
»Aha«, ich
nickte und beugte mich zum Futtereimer hinunter, um meine Begeisterung für den Inhalt
zu demonstrieren. Mein Fuß rutschte weg und ich nahm unfreiwillig eine Kostprobe
der bräunlichen Pampe. Ben konnte wirklich nicht klagen, es schmeckte besser, als
es roch.
»Sie geben
wohl nie auf, Frau Lem.«
»Tja, meine
Devise.« Ich pulte Speisereste aus meinem Haar. »Dum spiro,
spero. Solange ich atme, hoffe ich. Und immer vorwärts.«
»Nicht immer.
Hätte Czarnecki rechtzeitig gebremst, dann wäre er noch am Leben. Und so ist er
leider tot«, schloss sie mit einem tiefen Seufzer.
»Tut mir
sehr leid. Ein Freund von Ihnen?«
»Mein Freund?
Nein. Nur ein Bekannter. Jan Linde hat ihn viel besser gekannt. Wussten Sie nichts
von diesem Autounfall?«
»Ja, doch,
natürlich, eine schlimme Sache. Der Inspektor war deswegen hier.«
Mit Wucht
knallte sie ihren Korb auf den Rasen, dass Flaschen herausflogen. »Die Bullen dürfen
nicht ins Haus! Was wollte er?«
»Er sucht
Unfallzeugen.«
»Ins Haus
kommt er mir nicht noch mal!« Wütend hievte sie ihren Korb hoch und ging weg.
Wut ist
bekanntlich ansteckend. Ich bückte mich zu Ben hinunter und zischte in sein Ohr:
»Und eins sage ich dir, ab sofort bekommst du nur Knochen und Wasser. Und schläfst
hier draußen! Wie ein richtiger Wachhund.«
Gelassen
ließ er sich auf den Rasen plumpsen und schloss die Augen.
*
Das Gebäude des Polizeipräsidiums
lag in einer Nebenstraße. Der Pförtner unterzog uns einem Verhör, bevor er uns durchließ.
Wahrscheinlich schlich
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