Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
Vom Netzwerk:
er uns nach, um zu überprüfen, ob wir zwecks Spionage einen
Abstecher in die Toiletten oder andere strategisch wichtige Räume wagen könnten.
Inspektor Kowalski erwartete uns bereits, er kam hinter seinem Schreibtisch hervor
und deutete auf die gesäßfreundlichen Plastikstühle, die auf Besucher warteten.
Auf dem Tisch ruhte ein beeindruckender Ventilator. Der Inspektor setzte sich uns
gegenüber und verzog den Mund zum verbeamteten Lächeln. »Sehr freundlich von Ihnen,
dass Sie beide gekommen sind.«
    »Meine Idee
war das nicht. Herr Schöne war erpicht darauf, das Polizeipräsidium zu sehen. Bei
der Hitze.« Ich zupfte mein Kleid zurecht, das an meinem Körper klebte.
    Kurt legte
seinen Tropenhelm auf den Tisch und knöpfte den oberen Knopf seines Hemdes auf.
    »Ja, die
Hitze.« Der Inspektor zog den Ventilator zu sich heran und drückte einen Knopf.
Mein roter Seidenschal wehte von meinen Schultern und verfing sich in den Blättern
der Zimmerpalme. »Ah ja«, der Beamte lächelte wissend. »Klarer Fall. Eine Stufe
tiefer.«
    Seine Manipulationen
am Schalter zeigten Wirkung, der Ventilator verdoppelte seine Windkraft. Aus dem
Aschenbecher wirbelte eine Wolke aus Asche und Zigarettenstummeln empor. Entnervt
schaltete er den Ventilator aus. »Brauchen wir einen Übersetzter für Herrn Schöne?«
    »Nie«, sagte
Kurt auf Polnisch.
    Neben ein
Blatt Papier platzierte der Inspektor einen Bleistift. »Wir machen es kurz. Frau
Lem, können Sie die Fragen ins Deutsche übersetzen? Für Ihren …?«
    »Bekannten.«
    In fehlerfreiem
Polnisch kam der Einwand. »Ihren guten Bekannten und Nachbarn. Hören Sie, Inspektor.
Ich spreche diese schwierige Sprache gut.«
    »Ach, wirklich?«
    »W
Szczebrzeszynie chrz ą szcz
brzmi w trzcinie«, zischte Kurt stolz.
    Der Inspektor
hob seine Augenbrauen. »Was wollen Sie damit ausdrücken?«
    »Stół z
powyławymanymi nogami. Und das ist nicht alles, ich kenne noch mehr Zungenbrecher.«
    »Ja, das
genügt.« Der Inspektor zauberte unter dem Tisch einen dicken Aktenordner hervor.
»Sie waren am 17. Juni nachmittags unterwegs, stimmt’s?«
    Um seine
Sprachkenntnisse zu beweisen, ließ sich Kurt über den Verlauf der gefährlichen Strecke
Forst–Jelenia Góra aus. Inspektor Kowalski schrieb emsig in sein Heft. »Sie saßen
am Steuer, Frau Lem?«
    »Ja.«
    »Haben Sie
etwas gesehen?«
    »Was meinen
Sie?«
    »Also, ich
will Ihnen keine Aussage in den Mund legen. Aber vielleicht haben Sie ein Autounfall
gesehen oder eine verdächtige Rauchwolke beobachtet.«
    »Wenn ich
etwas bemerken darf«, Kurt hob den Finger, »Rauchwolken haben wir oft auf der Strecke
gesehen.« Er kramte in seinem Gedächtnis. »Kurz nach Bunzlau eine abgebrannte Wiese
mit noch glimmenden Stellen. Bei Kilometer 66 ein rauchschwangerer Mülleimer am
Straßenrand, das war in …«
    »Das ist
unwichtig«, unterbrach der Inspektor scharf. »Ein Brand kann auch in westlichen
EU-Ländern vorkommen. Waldbrände gibt es überall in Europa, in Spanien, in Frankreich.
Jedes Jahr im Sommer. Herr Schöne, Polen ist keine Ausnahme … Zurück zum Protokoll:
Sie fahren einen Kombi, stimmt’s?«
    »Ja, aber
ich wünschte, es wäre ein Lastwagen mit abgetrennter Ladefläche für die Fracht.«
    Der Inspektor
hob eine Braue. »Was haben Sie geschmuggelt? Haha!«
    »Eine Dogge.
Ein Rüde im besten Alter, als Zuchttier hervorragend geeignet. Haben Sie Interesse?«
    »Haha. Sie
sind ein Witzbold, Herr Schöne, sozusagen der Charlie Chaplin der Zeugenbefragung.«
    Ein Klopfen
an der Tür unterbrach das fröhliche Gespräch.
    »Ich habe
gesagt, nicht stören«, rief der Inspektor und fügte in milderem Ton hinzu: »Ach,
Sie sind das. Frau Jola, unsere Sekretärin.«
    Ein knapp
und eng bekleidetes Wesen erschien in der Tür mit voll beladenem Tablett. »Ich dachte,
wo Sie doch ausländische Gäste haben, da dürfen wir uns nicht lumpen lassen. Bei
der Hitze. Das kommt nicht jeden Tag vor, außer natürlich Russen oder Bulgaren,
aber die zählen nicht. Kaffee, Mineralwasser oder Saft?«
    »Das sind
nicht meine Gäste«, sagte der Inspektor scharf.
    »Oh, Entschuldigung.
Ich wollte natürlich sagen ›ausländische Verdächtige‹.«
    Der Beamte
rang um Selbstbeherrschung. »Die Herrschaften sind Zeugen, Frau Jola. Merken Sie
sich das endlich.«
    »Jaaa. Mache
ich.« Sie schwirrte aus dem Zimmer.
    »Frau Jola
ist ganz frisch«, sagte er entschuldigend. »Ich meine, neu eingestellt bei uns.«
    »Eine hübsche
neue Sekretärin«, nickte

Weitere Kostenlose Bücher