Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
Ihnen die Tür und hat damit ein sicheres Alibi für die Tatzeit.«
»Wie der
Zufall so will, Herr Inspektor.«
»Nun kommt
das Wichtigste: Der aufmerksame Spaziergänger hat Fotos gemacht. Sehr viele sogar.
Mit Zeitangaben. Sie haben gelogen, Frau Lem.« Er erhob die Stimme. »Sie standen
vor der Tür wie bestellt und nicht abgeholt.«
»Da ist
etwas Wahres dran. Aber Sie können Jan Linde deswegen nicht verhaften.«
»Was ich
kann, das entscheide ich – und nicht Sie!«
»Was liegt
gegen Herrn Linde vor?«
Er lachte
kurz und bitter auf. »Einige ungeklärte Fälle. Jetzt reicht es. Wer ermittelt hier?
Sie oder ich?«
»Das ist
doch klar, Herr Inspektor.«
»Na, also.
Haben Sie Vertrauen in die polnische Polizei?«
»Das allergrößte.
Es geht um den Diebstahl der Papstskulptur, nicht wahr?«
Meine Frage
ignorierte er, ging zur Tür und rief in den Flur hinaus: »Frau Jola, wir verdursten!«
Er ließ die Tür einen Spalt offen und kehrte zum Schreibtisch zurück.
»Aber ja,
gleich!«, hallte eine überreizte Stimme zurück. »Nur nicht hetzen! Das kann ich
wirklich nicht leiden!«
Bei diesen
Worten zuckte er ängstlich zusammen, gewann aber nach einigen tiefen Atemzügen seine
Fassung zurück. »Sie wohnen im Ausland, Frau Lem? Seit Jahren.«
»Das ist
doch kein Makel, Inspektor. Heutzutage, wo Polen hemmungslos überall hinreisen,
im Frühling nach Deutschland, um Spargel zu stechen, im Sommer nach Frankreich zur
Weinlese und im Herbst nach Irland zur Kartoffelernte.«
»Bitte,
Frau Lem. Was ich vorhin sagen wollte – dieses Land hat sich in den letzten 20 Jahren
stark verändert. Jan Linde ist nicht der Jan Linde, den sie damals gekannt haben.«
»Das ist
mir nicht entgangen, Herr Inspektor. Die Sache mit der Papstskulptur, das war kein
Versicherungsbetrug, glauben Sie mir. Herr Linde ist unschuldig.«
In diesem
Moment lugte Frau Jolas Kopf ins Zimmer hinein. »Und wenn Sie denken, dass ich nichts
zu tun habe, als Ihnen jederzeit Getränke zu bringen, dann irren Sie sich gewaltig,
Herr Inspektor Kowalski.«
Sprachlos
starrte er sie an, dann wischte er sich mit dem Handrücken die Schweißtropfen von
der Stirn. »Also, mehr Ärger kann ich wirklich nicht brauchen. Frau Lem, überlassen
Sie uns die ganze Arbeit und machen Sie das Beste aus Ihrem Urlaub. Fahren Sie in
die Berge, gehen Sie gut essen und trinken.«
»Danke,
dass Sie mich daran erinnern. Eine Bergtour, eine prima Idee, wozu bin ich sonst
hier.«
»Na, also.«
Inspektor Kowalski begleitete mich zur Tür. »Ich freue mich, Ihnen geholfen zu haben.«
Auf der Straße atmete ich erleichtert
durch, soeben war ich einer Verhaftung entgangen. Eine Falschaussage ist keine Kleinigkeit.
Eins war mir noch mal klar geworden: Solange der Diebstahl der Papstskulptur nicht
aufgeklärt war, würde Jan immer wieder als Berufsverdächtiger angesehen werden.
Ich musste ihm helfen, seinen Ruf wiederherzustellen. Dabei könnte ich auf professionelle
Dienste zurückgreifen. Es gab eine Person, die angeblich alles wusste, was im Städtchen
geschah. Edy Cop. Seine Privatadresse hielt er zwar geheim, aber ich würde ihn in
seiner Redaktion aufsuchen. In einem Kiosk kaufte ich die einzige lokale Zeitung,
um die Redaktionsadresse zu erfahren.
10.
Die Redaktionsadresse führte mich
in eine Straße, die nur aus Schlaglöchern bestand. Ganz sachte drückte ich die Klingel
zur Parterrewohnung, denn das Haus sah aus, als würde es die kleinste Erschütterung
zum Einsturz bringen. Der Mann, der mir öffnete, war jung und frisch frisiert.
»Ah, Sie
kommen wegen der Anzeige.« Er riss die Tür weit auf. »Sie sollten das Längsformat
nehmen. Das würde Ihre immer noch anziehende Figur fantastisch betonen. Die Herzen
der Männer werden Ihnen nur zufliegen.« Er breitete die Hände aus, als würde er
meinen Taillenumfang abmessen.
»An Männerherzen
habe ich keinen Bedarf. Mich interessiert etwas anderes.«
»Innere
Qualitäten, was?«
»Sie sagen
es.«
»Dann nehmen
wir ein Querformat. Mit kleinem Aufpreis für das Retuschieren. Das wird natürlich
eine andere Klientel ansprechen, aber wenn Sie darauf bestehen, bitte. Alt genug
sind Sie bereits, um selbst zu entscheiden. Na, dann kommen Sie mal mit.«
»Nein, ich
brauche kein Foto.«
»Also, die
untere Preisklasse. Eine einfache Anzeige. Zum Beispiel: ›Wo bist du? Ich warte
immer noch auf dich. Eine hübsche, häusliche Erscheinung sucht ein Bärchen, um zusammen
süße Früchte zu pflücken. Gerne
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