Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
werden, ich bekomme
so selten Besuch.«
»Na, na,
führen Sie mich nicht in Versuchung.«
Noch mal
ließ er mich an seinem Haargel riechen. »Sekt habe ich auch. Gut gekühlt.«
»Zeit ist
Geld.« Betont sah auf meine neue Uhr und ging zur Tür. »Später werde ich vielleicht
auf Sie zurückkommen.«
Der Chefredakteur
sah mich hingebungsvoll an.
Schnell, als würde mich sein klebriger
Blick verfolgen, lief ich die Straße hinunter. Die löchrige Fahrbahn ging in einen
glatten sandigen Weg über, die Häuser wurden niedriger und schamhafter, sie versteckten
ihre bröckelnden Fassaden hinter verwilderten Büschen. Der Weg führte zum Fluss.
Edy Cop bewohnte ein kleines Haus, das sich so stark zum Wasser hinabneigte, als
ob es mit der Entscheidung rang, sich in den Fluss hinunterzustürzen. Durch die
angelehnte Eingangstür trat ich in den Flur. Eine schwarze Katze huschte an mir
vorbei ins Freie.
Abergläubisch
war ich nicht. Ich ging weiter hinein, betrat das nächstbeste Zimmer und mir wurde
klar, warum die Katze die erste Gelegenheit zur Flucht genutzt hatte. Katzen sollen
sehr reinliche Tiere sein. Während ich den Verdacht hegte, dass mich der freche
Chefredakteur in eine illegal betriebene Kleintierzucht-Anlage geschickt hatte,
wofür weniger Tierkäfige als der bestialische Gestank sprachen, fand ich Edy Cop.
Angezogen schlief er auf einem französischen Ehebett, hinter einem Raumteiler aus
gestapelten Kartons. Auf seiner Brust lag eine Zeitung, neben seinem Kopf eine leere
Wodkaflasche. Eine beispielhafte Hingabe an seinen Beruf, die klassischen drei B
des Journalismus. Immer bereit, immer im Bilde und immer betrunken. Ich legte meine
Visitenkarte neben seinen Kopf auf das Kissen und verließ schnell das Zimmer. Genüsslich
lüftete ich meine Lungen mit der modrigen Luft, die vom Fluss aufstieg.
Edy Cop meldete sich am selben Nachmittag.
»Du hast meine Wohnung auf den Kopf gestellt, Valeska. Was hast du hier gesucht?«,
krächzte er ins Telefon.
»Keine Angst,
ich habe nichts angerührt, schon aus Furcht, dass es mir an den Händen kleben bleibt.
Gesucht habe ich einen Journalisten. Im Bett fand ich nur ein betrunkenes Andenken
an die glorreiche Zeit der Parteiorgane und ihrer treuen Sprecher.«
»Aha, du
hast also mit dem lokalen Medienmogul bereits gesprochen. Was hat er noch über mich
erzählt?«
»Dass du
unchristlich recherchiert hast.«
»Kein Wunder,
ich bin Atheist.«
»Und immer
noch ein Marxist?«
»Absolut,
Valeska. Wir haben nicht die sozialistische Idee zu Grabe getragen, sondern nur
ihre entstellte Hülle. Ihre Zeit wird noch kommen. Was willst du übrigens von mir?«
»Nur ein
bisschen plaudern.«
»Keine Zeit.
Das Blatt, das mit dem nächsten Kapitel meiner Memoiren beschrieben werden muss,
starrt mich seit Stunden jungfräulich an.«
»Die Muse
küsst leidenschaftlicher, wenn sie einen sitzen hat.«
Ȇberredet,
ich mache eine Ausnahme, nur weil du es bist. Als Mitbringsel schlage ich eine Flasche
›Czysta‹ vor. Den echten, im Laden gekauft. Man muss sich vorsehen, irgendein Idiot
beliefert die Bedürftigen mit gepanschtem Schnaps. Und bring Bier mit! Bitte nicht
mehr als einen Kasten, ich muss nachher noch arbeiten. Und beeil dich.«
In kurzer Zeit erfüllte ich meinen
Auftrag und packte vor seinem Haus die Einkäufe aus dem Auto. Edy riss mir den Kasten
aus der Hand, und bevor wir die Eingangstür seines Hauses erreicht hatten, setzte
er die erste Bierflasche an. Sein Zimmer wirkte jetzt geräumiger, da die Wand aus
Pappkartons umgestürzt war und den Blick auf sein französisches Ehebett freigab.
Mit wenigen Handgriffen zauberte er eine gastfreundliche Stimmung, er öffnete ein
Fenster, stellte zwei leere Senfgläser auf eine Holzkiste, schob mir einen Hocker
hin und machte es sich selbst in einem zerfetzten Sessel bequem. »Einen Wodka, Valeska?«
Ich verneinte.
Er füllte sein Glas randvoll und nippte genüsslich daran. »Schöner Name. Die polnische
Geliebte von Napoleon Bonaparte hieß auch Valeska.« Er zwinkerte mir zu. »Keine
Lust auf ein amouröses Abenteuer?«
»Mit wem?«
»Mit mir
zum Beispiel.«
»Nein, keine.«
»Das kann
ich sogar verstehen.« Edy trank einen Schluck. »Ehrlich gesagt, ich hätte auch kein
Interesse an einer Beziehung mit mir selbst. Weißt du, warum? Ich bin ein ganz miserabler
Koch. Wenn ich einen Kochkurs machen würde, hätte ich mehr Chancen bei Frauen. Was
denkst du?«
»Tja, vielleicht.
Wenn du noch einen
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