Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
her und brachte uns noch mehr kaltes Bier.
Als der Biervorrat aufgebraucht war, waren wir auch mit unserer Beratung fertig.
Wir wollten den mysteriösen Interessenten an Edys Informationen in die Pension locken,
indem wir behaupteten, wir würden sein Archiv öffnen. Eine Annonce über das Ereignis
würden wir in die Zeitung setzen: ›Eine kleine, aber feine private Ausstellung gewährt
Einblick in den Nachlass des vor Kurzem verstorbenen und geschätzten Journalisten
Edy Cop. Zu sehen sind bisher unveröffentlichte Dokumente. Institutionen und private
Personen, die sich für sein Werk und seinen Nachlass interessieren, können einzelne
Ausstellungsstücke käuflich erwerben.«
Kurt erwartete,
dass wir spätestens in zwei Tagen die ersten Gäste, unter ihnen den Verdächtigen,
begrüßen könnten. Woran wir glaubten, ihn zu erkennen? Da er vermutlich derjenige
war, mit dem ich schmerzhaften Körperkontakt gehabt hatte, war Kurt sich sicher,
dass er sich bei meinem Anblick womöglich selbst verraten würde. Gewagte Theorie,
aber nicht unwahrscheinlich. Die Operation bekam den Namen ›Trüffelschwein‹.
Der nächste Tag fing gar nicht schlecht
an. Operation ›Trüffelschwein‹ war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet worden.
Meine Kopfschmerzen waren erträglich, meine Liebespleite tief verdrängt, nur Herr
Pech nagte schwer an meiner Seele. So unablässig, dass ich in einen Bus stieg und
nach Wrocław fuhr, um Nicolai Robotka zu besuchen. In der Hoffnung, dass auf seine
geplatzte Verlobung eine neue Liebesgeschichte folgen würde.
Die Adresse,
die ich von Louise Robotka bekommen hatte, führte mich zu einem würdigen Denkmal
der sozialistischen Baukunst. Kurzum: zu einem hässlichen Wohnblock, der über eine
Straßenkreuzung wachte. Ich entdeckte den Namen Robotka und klingelte. Lange Zeit
passierte nichts, dann aber hörte ich eine undeutliche Stimme. »Wer ist da?«
»Ich möchte
Nicolai sprechen, ich bin eine Bekannte von seiner Mutter …«
»Oh nein!
Sie?! Bitte, kommen Sie hoch.«
Im zweiten
Stock wartete ein junger Mann auf mich vor seiner Wohnungstür. Er strich sich seine
dichten Locken aus dem Gesicht und murmelte unsicher: »Wir wollten uns schon lange
bei seiner Mutter melden, Nicolai hat erst gestern davon gesprochen. Er ist leider
gerade nicht da. Wollen Sie nicht reinkommen, Frau …?«
»Lem, Valeska
Lem.«
»Ich bin
Mariusz, der Mitbewohner.«
Durch einen
winzigen Flur führte er mich in ein Zimmer, das mit blühenden Topfpflanzen vollgestellt
war, in der Mitte sichtete ich ein Klavier. Nachdem ich mich in einen winzigen Sessel
zwischen Lilien, Rosen und Kamelien gequetscht hatte, holte ich mein Notizbuch hervor.
»Wann kommt Nicolai Robotka zurück?«
Der Mann
sah nach hinten, als würde ich jemanden in seinem Rücken ansprechen. Seine Haare
fielen ihm dabei ins Gesicht. Er griff nach einem Gummiband, das auf dem Tisch lag,
und band sie zu einem schicken Zopf zusammen. »Bald. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Das glaube
ich nicht, ich möchte Nicolai private Fragen stellen. Seine Heiratspläne haben sich
geändert, habe ich gehört. Wissen Sie noch nichts davon?«
»Wir«, betonte
er, »wir haben nichts zu verbergen. Wir ziehen gleich nach der Trauung aus.«
Ich wurde
hellhörig. »Heirat? Nicolai heiratet doch? Toll! Erzählen Sie mehr darüber.«
»Wollen
Sie das wirklich wissen?«
»Aber ja,
ich liebe Hochzeiten.«
»Mir schwebt
eine große Hochzeit vor. Nicolai will lieber eine schlichte, private Zeremonie.«
»Sie heiraten
auch?«
»Ja, selbstverständlich,
meinen Nicolai.«
Diese Wendung
passte gar nicht in meinen Plan. »Nein! Wirklich? Für Sie lässt Nicolai seine schwerreiche
Braut sitzen?«
Mariusz
fummelte nervös an seinem Zopf herum und fragte gekränkt: »Warum nicht? Sie kennen
mich doch gar nicht.«
»Nein«,
stimmte ich mit einem resignierten Seufzer zu. »Sie haben mir bloß soeben meine
Geschichte vermasselt. Ich bezweifle stark, dass mein Verleger und die Leserinnen
seiner Zeitschrift sich für Ihre Heirat begeistern werden. Verraten Sie mir zumindest,
wie Sie es geschafft haben, dass Nicolai sich für Sie entschieden hat?«
Lange murmelte
er etwas über seinen netten Charakter, seine Talente und andere Qualitäten. Besonders
seine feinsinnige Art fände Nicolai sehr anziehend. Zum Beweis setzte er sich ans
Klavier, spielte die Polonaise, zwei Etüden und ein Scherzo von Chopin.
Es war beeindruckend,
aber ich unterbrach ihn, bevor er zu einer
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