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Vom Nehmen Und Genommenwerden

Titel: Vom Nehmen Und Genommenwerden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter A. Schroeter , Doris Christinger
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äußeren Hülle geworden, die wir der Welt zeigen. Genau das ist das Ego.
    Das Ego ist aber nicht einfach »schlecht«, wie viele spirituell Suchende meinen. Das Ego hat eine durchaus »gute« Seite. Als Freund und treuer Gefährte will es eigentlich unsere Essenz vor Verletzungen schützen. Der Preis, den wir dafür zahlen: Wir verlieren den Zugang zu unserer Essenz, und das ist vor allem beim spirituellen Lieben das große Hindernis. Wir fühlen uns nicht nur von unserer Essenz getrennt, mit der Zeit verwechseln wir sogar die Essenz mit dem Ego. Diese Tragödie beginnt bereits in dem Augenblick, in dem wir als Kind erkennen, wie sehr wir auf Liebe angewiesen sind. Wir sehnen uns nach Liebe, suchen sie und bekommen sie höchst selten auf die Art und Weise, die wir uns wünschen. So haben wir gelernt, uns anzupassen und uns letztlich zu verbiegen. Mit den Jahren sind wir sogar überzeugt, dass das, was wir fühlen und denken, und wie wir handeln, unser wahres Selbst ist. Wir definieren dann diesen, für uns »normalen« Zustand als Zufriedenheit und sagen: »Genau das bin ich.« Das erinnert uns an Mullah Nasruddin in folgender Geschichte:
    Einem Dieb gelingt es, Mullah Nasruddin seinen Turban, seinen Kaftan und seine Schuhe zu stehlen. Eines Tages schlendert unser weiser Narr über den Markt und trifft auf einen Mann, der seine Kleider trägt. Verwirrt geht er zum Dieb und sagt: »Dies sind mein Turban, mein Kaftan und meine Schuhe – also musst du Mullah Nasruddin sein! Aber … wer bin dann ich?«
    Das Ego ist also nicht das Problem, sondern dass wir es mit der Essenz verwechseln. Und doch – wir alle kennen auch die schmerzlichbeglückenden Augenblicke, wenn die Vase für einen Augenblick einen Riss bekommt. Das sind die Momente, in denen uns schlagartig die Diskrepanz zwischen Ego und Essenz bewusst wird. Es sind genau diese Momente, die uns antreiben, uns aus dem Kokon aus Abwehrstrukturen »herauszuentwickeln«, Schicht für Schicht, Schmerz für Schmerz abzutragen, um immer näher zu unserer Essenz zu kommen – dorthin, wo wir zu Hause sind.
    Auf diesem Weg zurück nach Hause haben wir einen großen Verbündeten an unserer Seite: Es ist unser Partner, mit dem zusammen wir beim spirituellen Lieben immer wieder unser Innerstes berühren. Denn je tiefer wir uns auf die Partnerschaft einlassen und je bewusster wir die Kraft der Sexualität zulassen, desto weiter öffnen sich diese Räume, in denen wir in Kontakt mit unserem innersten Kern kommen. Und mit jedem Mal wachsen wir, werden offener und entspannter. Aber – und auch das ist eine unausweichliche Tatsache – jedes Mal werden auch unsere Egostrukturen aktiviert. Denn wo die Essenz ist, ist auch das Ego. Das ist der Wermutstropfen, den jede Ausdehnung und Erweiterung unseres Seins mit sich bringt.
    Jede Öffnung ist zugleich auch eine große Motivation. Denn wer einmal seine Essenz berührt hat, der will mehr. Dies schenkt uns die Energie, den Weg des gemeinsamen Wachstums zu gehen. Wir wollen uns entfalten, wir wollen über alle unsere Fähigkeiten und Qualitäten, über unser volles Potenzial frei verfügen. Doch je höher wir fliegen, je näher wir dem Licht kommen, je tiefer wir lieben und uns in die Liebe hinein entspannen, desto stärker zeigt sich auch der Schatten, unser Ego.
    Aber hinter allen Verwirrungen, die durch das Ego entstehen, hinter all den Erinnerungen, Konzepten, Wahrnehmungen, Emotionen und Assoziationen gibt es ein Feld, das wir bereits kennengelernt haben. Dieses Feld ist ein Raum voll reiner, leuchtender Realität – unser Bewusstsein.
    Es ist beruhigend zu wissen, dass wir nicht die Ersten sind, die den Weg der Selbsterkenntnis beschreiten. Sehr viele sind ihn bereits vor uns gegangen. Die meisten spirituellen Traditionen zeigen zwei unterschiedliche Ansätze auf. Einmal den Weg über Hingabe und Liebe und dann den Weg über das Bewusstsein und die Meditation. In unserer Arbeit kombinieren wir beide Wege. Denn die Flügel, die uns heimtragen, sind Liebe und Bewusstsein. Beides sind Qualitäten, die wir bereits kennengelernt haben. Dank der Synthese der unterschiedlichen Qualitäten des Liebens sind beide Seiten gleichwertig und führen uns zurück zur Essenz und zu dem, der wir wirklich sind. Gleichzeitig sind es auch diese Flügel, die uns ins

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