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Vom Regen in die Traufe

Vom Regen in die Traufe

Titel: Vom Regen in die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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unheimliche Vision, das musste Ragnar Lundmark zugeben.
    Ragnar hatte die ganze Nacht hindurch in dem Text gelesen. Jetzt wurde es bereits Morgen, nach langer Zeit das erste Mal ohne Regen. Ragnar fand, dass das Urlaubsprogramm hier im Norden bisweilen recht speziell war. Erst wurde man den ha l ben Tag im Fu ß block gefangen gehalten und anschlie ß end nachts seines Schlafes beraubt und gezwungen, Pl ä ne f ü r den Aufstand zu studieren.
     

16
     
    Es war jetzt Ende Juli, und Ragnar Lundmark sagte sich, dass Lenas Antwort auf seinen letzten Bericht wohl inzwischen im Touristenhotel von Utsjoki angekommen war. Als sie dorthin reisten, war die Ü berraschung gro ß , denn anstelle eines Briefes war Frau Lundmark selbst eingetroffen. Sie war ziemlich g e reizt, denn sie hatte bereits l ä nger als einen Tag auf die Vag a bunden gewartet. Ragnar hatte vers ä umt, die Nachricht ins Hotel zu schicken, dass er und Hermanni wegen des Stud i ums der Aufstandspl ä ne l ä nger in Inari verweilten. Es kam deshalb zu einer ziemlich heftigen Auseinandersetzung zw i schen Onkel und Nichte.
    Ragnar merkte, dass Lena bis ü ber beide Ohren in Herma n ni Heiskari verliebt war. Sie hielt es f ü r selbstverst ä ndlich, dass er zu ihr ins Zimmer zog, und Hermanni hatte nichts dagegen einzuwenden.
    Lenas H ü fte war bereits gut geheilt. Sie hatte sechs Wochen lang St ü tzkr ü cken benutzen m ü ssen, damit die Blutzirkulation im Oberschenkelhals nicht beeintr ä chtigt wurde, was Brand zur Folge gehabt h ä tte. Ihr Arzt Doktor Seppo Sorjonen hatte lobend hervorgehoben, dass beim Einrenken der H ü fte g e schickt vorgegangen worden war. Hermanni Heiskari err ö tete zufrieden, als er das h ö rte.
    Beim Abendessen klagte Lena Lundmark, dass die Gesch ä f te – vor allem die der Werften – in letzter Zeit buchst ä blich im Gegenwind gesegelt waren. Auch im Speditionsbereich gab es Schwierigkeiten, und Lena wusste gar nicht, wie es ihr gelingen sollte, ihren Besitz vor den gierigen Spekulationen ihrer r ä ub e rischen Konkurrenten zu sch ü tzen. Sie hatte gro ß e Risiken eingehen m ü ssen, und eigentlich fehlte ihr die Zeit, quer durch Finnland irgendwelchen Pennern hinterherzureisen.
    Diese Worte richtete Frau Lundmark an ihren Onkel, wobei sie entschuldigend ihre kleine Hand in Hermanni Heiskaris gro ß e Pranke schob. Sie speisten an diesem Abend ger ä ucherte Rentierzunge mit geschmorten Steinmorcheln. Dazu w ä hlte Ragnar einen anregenden italienischen Bardolino, den er se i nerzeit auf einer Reise durch Norditalien gekostet hatte. Wie er sich erinnerte, stammte der Wein aus den Corvina- und Mol i natrauben, die an den H ä ngen von Veneto wuchsen.
    » Findet ihr nicht auch, dass ein leichter Hauch von Kirsche zu sp ü ren ist? Ich w ü rde sagen, dass sich sanfte Leichtigkeit mit nachdr ü cklicher Frische vermischt « , sinnierte er. Da sich die M ä nner immer noch siezten, hielt es Lena Lundmark f ü r ihre Pflicht, ihnen vorzuschlagen, endlich Br ü derschaft zu trinken. Lena ä u ß erte ihr Erstaunen, dass zwei Finnen, die den ganzen Sommer ü ber gemeinsam gereist waren, Ende Juli immer noch so f ö rmlich miteinander umgingen. Ragnar verteidigte die Linie, die er verfolgte, mit dem Hinweis, dass sich die Sitten in den nordischen L ä ndern, und durchaus auch in Finnland, in den letzten Jahren auf besorgniserregende Weise gelockert hatten, und vor diesem Hintergrund war es ganz nat ü rlich, dass einige wenige Gentlemen Wert auf gutes Benehmen legten. Er sagte, dass er es irgendwie dem ü tigend finde, geduzt zu werden, besonders wenn das Gegen ü ber etwa ein f ü nfzehnj ä hriges M ä dchen sei. Ganz zu schweigen davon, was ein ä lterer Mensch sich noch so an Unversch ä mtheiten aus dem Munde Jugendl i cher anh ö ren musste.
    Ragnar Lundmark sprach das Wort » Fotze « nicht aus, das seine urspr ü ngliche, an sich faszinierende Bedeutung vollst ä n dig verloren hatte, nachdem es Eingang in die Alltagssprache gefunden hatte. Hingegen konnte er nicht umhin, sein Ersta u nen dar ü ber auszudr ü cken, was die jungen Burschen mit ihren idiotischen Graffitischmierereien zu erreichen glaubten. Diese Art der Verschandelung der Umwelt hatte noch nicht einmal mehr etwas mit der f ü r Jugendliche typischen Rebellion zu tun. Es hatte ü berhaupt keinen Sinn, war in seiner ganzen Dum m heit einfach nur widerw ä rtig. Wenn jemand gegen die Gesel l schaft rebellieren wollte, gab es daf ü r bessere Wege,

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