Vom Regen in die Traufe
Verlobungsu r laub somit zu Ende sei. Eigentlich zog es sie auch bereits wieder nach Maarianhamina und zu ihren Gesch ä ften. So fuhren die drei denn im Taxi nach Ivalo, flogen von dort nach Rovaniemi und ü bernachteten im Pohjanhovi. Am n ä chsten Morgen kaufte Lena einen leistungsf ä higen Laptop und dazu ein Modem, einen Drucker sowie ein Mobiltelefon. Da He r manni Heiskari noch nie solche Ger ä te bedient hatte, nahm Lena ihren fliegenden Gesellen und Guerillaf ü hrer buchst ä b lich bei der Hand, um ihm einen Schnellkurs in Datentechnik zu geben. Bis zum Lunch war all das erledigt, und als sie sich abends im Restaurant trafen, um Lenas Abschied zu feiern, hatte Ragnar bereits Vorschl ä ge f ü r Tages- und Wochenprogramme f ü r die kommenden Reis e monate gespeichert. Er hatte mehrere Alternativen ausgedruckt, die er Lena und Hermanni ü bergab, damit sie sich damit ve r traut machen konnten. Nun galt es, einen Ablaufplan f ü r den Herbst, den Winter und das Fr ü hjahr bis hin zum n ä chsten Fr ü hsommer zu erstellen, denn dann w ä re das Pr ä mienjahr vorbei, das Hermanni Heiskari sich verdient hatte, als er Frau Lundmark auf dem tr ü gerischen Eis des Inarisees das Leben rettete.
Die drei sa ß en im Hotelrestaurant an einem Fenstertisch mit Blick auf den ruhig dahingleitenden Kemijoki, von dem sie nur der angrenzende Park mit einem schmalen Streifen Rasen trennte. Hermanni betrachtete wehm ü tig die Str ö mung. Als Lena ihn fragte, was ihn so traurig mache, sagte er leise:
» Hab nur gerade ü berlegt, wie viele Millionen St ä mme, die ich selber gef ä llt habe, hier wohl schon vorbeigeschippert sind. Eigentlich h ä tte man sich das Leben auch leichter machen k ö nnen. «
Sie bestellten die viel ger ü hmte » N ö rdliche Rhapsodie « , und w ä hrend sie warteten, studierten sie Ragnars Vorschl ä ge f ü r das Programm der kommenden Monate.
Ragnar hatte mehrere Seiten mit verschiedenen Alternat i ven beschrieben und sie auf A4-B ö gen ausgedruckt. Da sie zehn Monate Zeit zur Verf ü gung hatten, k ö nnten sie ein sehr inte n sives allgemeinbildendes Programm absolvieren, erkl ä rte er. Er plante, sich zusammen mit Hermanni der bildenden Kunst, der Architektur, der Kulturgeschichte, der Musik, der Literatur und der Gastronomie zu widmen – und all das erfo r derte nat ü rlich ausgedehnte Reisen.
An dieser Stelle warf Hermanni ein, dass seinetwegen nicht beim Urschleim angefangen werden musste. Als er ein junger Bursche gewesen war, hatte er sich intensiv mit bildender Kunst besch ä ftigt, hatte bei einem professionellen Maler in Rovaniemi studiert, au ß erdem hatte er auch einen Roman geschrieben, der allerdings nicht ver ö ffentlicht worden war, und zwar aus dem unbegreiflichen Grunde, dass er, Hermanni, nicht eingewilligt hatte, die vom Verleger vorgeschlagenen geringf ü gigen Ver ä n derungen im Manuskript vorzunehmen. Hermanni hatte letz t lich Erfahrungen in zwanzig verschied e nen Berufen, er war sogar einen Sommer lang Redakteur bei der Regionalzeitung Pohjolan Sanomat gewesen und w ä re wohl beim Journalismus h ä ngen geblieben, wenn er nicht ü ber Ahti Karjalainens Besuch in Kemi einen so oberfl ä chlichen Artikel geschrieben h ä tte. Pohjolan Sanomat war zu jener Zeit das Organ der Agrarunion und Ahti Karjalainen Repr ä sentant ebendieser Partei und finnischer Au ß enminister gewesen. Hermanni hatte mit Ahti nach dessen Vortrag ein wenig gesoffen, und dadurch war ihm Ahtis Rede ü ber die Direktiven zur Politik der Nordkalotte irgendwie entfallen.
Am n ä chsten Tag hatte er die Rede aus Erinnerung s bruchst ü cken selbst zusammengebastelt und in die Zeitung gesetzt, und daraufhin hatte es Knatsch gegeben. Hermanni hatte dem Minister Aussagen ü ber die Nordkalotte in den Mund gelegt, die allgemeine Best ü rzung hervorgerufen hatten, und nicht nur das Ministerium, sondern sogar das B ü ro des Staatspr ä sidenten hatte jede Menge Fragen beantworten m ü s sen. Etwa, warum von Kemij ä rvi keine Bahnstrecke nach Salla und Petsamo gebaut werden konnte, damit Finnland im Gege n zug einen Win terhafen oben am Eismeer bekam.
Lena Lundmark ä u ß erte, dass die fliegenden Gesellen hier oben im Norden recht umtriebig zu sein schienen, sie waren kompetent in allen Dingen und machten kaum Aufhebens um ihre fr ü heren Verdienste.
Ragnar blickte Hermanni fins ter an und wechselte das Th e ma:
» Wenn du es mir nicht ü bel nimmst, bleibe ich bei meiner
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