Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
das so verwerflich?« Sie spielt mit den zahlreichen silbernen Ringen, die von ihrem mehrfach gepiercten Ohr hängen – ein sicheres Zeichen dafür, dass sie nach den richtigen Worten sucht. »Hör mal, Daire, so wenig ich es auch bereue, dich bekommen zu haben – keine einzige Sekunde lang –, so wenig will ich auch, dass du mit sechzehn schwanger wirst wie ich. Ist das ein solches Verbrechen?«
Ich verdrehe die Augen und sehe weg. Wir haben dieses Gespräch schon tausendmal geführt, eigentlich schon, als ich noch viel zu jung dafür war und man es schon fast als massiv ungehörig hätte bezeichnen können. »So ist es nicht«, sage ich. »Er ist nicht so. Du hast die Situation komplett falsch aufgefasst.«
Doch kaum habe ich die Worte ausgesprochen, wird mir klar, dass ich ihr direkt in die Falle gegangen bin. Ihre Augen werden weit, und sie kräuselt triumphierend die Lippen. »Woher willst du das wissen? Ich dachte, du kennst ihn erst seit heute ?«
Ich wende mich ab. Ich bin so wütend, dass ich an mich halten muss, um nichts zu sagen – den Schwall zorniger Entgegnungen in meinem Kopf zu bewahren.
»Komm schon, Daire.« Ihre Stimme klingt viel strenger,
als die Worte erahnen lassen. »Pack deine Sachen, damit wir schleunigst von hier verschwinden können. Ach, und wenn du mit Packen fertig bist, dann schreib noch eine Nachricht für Paloma, in der du ihr dafür dankst, dass sie es so bombastisch hingekriegt hat, bei dir genauso massiv zu versagen wie bei deinem Dad.«
»Was?« Ich reiße die Augen auf und sehe mich hektisch im Raum um. Doch Jennika schüttelt nur den Kopf, zieht die Brauen hoch und presst wütend die Lippen aufeinander.
Ich löse mich von der Arbeitsfläche und renne den Flur hinunter. Palomas leeres Schlafzimmer bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen. »Wie bist du hereingekommen?« , herrsche ich Jennika mit Panik in der Stimme an.
Verwirrt schaut sie zwischen Palomas Bett und mir hin und her. »Wie meinst du das?«, sagt sie. »Die Tür stand doch sperrangelweit offen.«
Neununddreißig
I ch bin mit Kachina vorbeigekommen und hatte sie gerade in ihrem Stall untergebracht, als ich Paloma bewusstlos am Tisch in ihrem Arbeitszimmer vorgefunden habe.« Chay steht uns in der Tür seines kleinen Häuschens gegenüber. Seine Augen sind rot gerändert vor Kummer. »Anscheinend hat sie sich ziemlich heftig den Kopf angeschlagen, als sie zusammengebrochen ist, was das Ganze noch komplizierter macht.«
»Und dann haben Sie sie hierher gebracht?« Jennika baut sich in der Tür auf, die Hände in die Hüften gestemmt, während sie den Raum und sämtliche Anwesenden mit einem missbilligenden Blick bedenkt.
Doch Chay weiß, wie er sie anfassen muss, was heißt, dass er sie ignoriert und sich auf mich konzentriert. »Sie kommt immer nur kurz wieder zu Bewusstsein, aber jedes Mal, wenn sie aufwacht, erkundigt sie sich nach dir.«
»Hey, mal eine Frage.« Jennika meldet sich wieder zu Wort, und ihr Tonfall ist ebenso herablassend wie ihre Miene. Sie verschafft sich rücksichtslos Gehör, obwohl niemand zuhören will. »Warum ist sie nicht in einem Krankenhaus? Glauben Sie nicht, dass man ihr dort besser helfen kann, als es diese Leute können?« Sie zeigt auf den älteren Indianer, der vermutlich der Medizinmann ist, und seinen wesentlich jüngeren Lehrling, der an einem handgeschnitzten Tischchen neben ihm sitzt. »Das soll jetzt aber keine Beleidigung
sein«, fügt sie hinzu und blickt in die Runde, doch ihre Gesichter bleiben stoisch, unbeweglich, von ihren Worten völlig ungerührt.
»Nur weil man etwas nicht versteht, heißt das nicht, dass es nicht gültig wäre«, sagt Chay ganz ruhig und gelassen. Sein Blick veranlasst Jennika, die Lippen aufeinanderzupressen und sich eine Wand zu suchen, an die sie sich anlehnen kann.
»Darf ich sie sehen?« Ich richte meine Worte an Chay, den Medizinmann und dessen Lehrling, da ich nicht weiß, wer das Sagen hat.
Der Medizinmann nickt zustimmend, während Chay nach meinem Ellbogen fasst und mich zu Palomas Zimmer führt. Sofort stößt sich Jennika von der Wand ab und will uns folgen, doch ich mache ihr schnell klar, dass das nicht infrage kommt. Warnend schüttele ich den Kopf, begleitet von meinem besten Vergiss-es-Blick. Ich weiß, dass ich nur Zeit schinde und später dafür büßen werde, aber diese Hürde gehe ich an, wenn sie kommt, fürs Erste muss ich mit der Gegenwart fertigwerden.
Chay führt mich in ein kleines Zimmer und
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