Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
einen Tag?« Ich frage mich, wie lange ich mich mit Dace in der Unterwelt aufgehalten habe.
»Den zweiten November, den Día de los Muertos «, antwortet er und greift nach meiner Schulter, um mich zu trösten, doch ich habe mich seinem Griff bereits entzogen und laufe eilig zur Tür.
Dunkle Ernte
Sechsundvierzig
I ch schwinge mich auf Kachinas Rücken und galoppiere zum Rabbit Hole.
Vielleicht weiß ich nicht, was ich tun soll – vielleicht bin ich nicht richtig ausgebildet – vielleicht habe ich keine Ahnung, wie ich die Richters daran hindern soll, die Unterwelt zu überrollen, doch Paloma verlässt sich darauf, dass ich sie aufhalte, und ich werde sie nicht enttäuschen.
Sie hat immer gesagt, dass ich sehr vielversprechende Ansätze zeige – dass ich eines Tages all meine Vorfahren übertreffen werde. Tja, möglicherweise beginnt dieses »eines Tages« heute schon.
Ich beuge mich vor. Vergrabe das Gesicht in Kachinas Hals. Konzentriere mich auf den beruhigenden Klang ihrer Hufe – eine Erinnerung daran, dass uns jeder Schritt näher ans Ziel bringt –, als auf einmal der Himmel einen so durchdringenden Donnerschlag von sich gibt, dass die Erde unter uns zu vibrieren beginnt, woraufhin ich zusammenzucke und die Zügel fester umfasse, da ich unbedingt ankommen will, ehe es zu regnen beginnt, denn ich möchte nicht im Freien von einem Gewitter überrascht werden.
Der Donner rollt erneut, lauter als zuerst, und der Krach verschreckt Kachina so sehr, dass sie den Kopf in den Nacken wirft und verstört schnaubt, während ich die Schenkel fester zusammendrücke, um mich auf ihrem Rücken zu halten und sie nicht durchgehen zu lassen. Leise murmele ich in ihren
Hals, sage ihr, dass sie keine Angst zu haben braucht, sondern nur durchhalten muss, dann wird alles gut. Auf einmal schießt ein gigantischer Blitz vom Himmel, bohrt sich in den Boden und verbrennt einen Streifen Erde nicht weit von ihren Hufen entfernt.
Der Himmel verdunkelt sich und wird immer bedrohlicher, während der Wind erstaunlich heiß bläst – und als ich den Kopf hebe und mich umsehe, stelle ich entsetzt fest, dass eine wahre Flut großer, schwarzer Raben heruntergestürzt kommt.
Sie fallen vom Himmel.
Fallen von überall her.
Stoßen schauerliche, schrille Laute aus, ehe sie zu Boden stürzen. Es sind so viele, dass der Himmel dicke, schwarze Hagelbrocken zu erbrechen scheint.
Ich ducke mich und flüstere meinem Pferd leise, beruhigende Worte ins Ohr, doch es hat keinen Zweck – Kachina ist genauso verstört wie ich. Sie rollt wie im Wahn mit den Augen, schnaubt, wiehert und schlägt nach allen Seiten aus, im vergeblichen Versuch, den Strömen von Raben auszuweichen.
Sie prallen hart auf meine Schultern. Knallen auf meinen Rücken. Und dann rollen sie über Kachinas Flanken hinunter und werden unter ihren Hufen zu einer schaurigen Masse aus Federn, Blut und Fleisch.
Mein Pferd ist so verschreckt, dass ich das Lied des Berges anstimme, um es zu beruhigen. Im Gedanken daran, welche Macht die Lieder bergen, singe ich auch noch das Lied des Windes. Die beiden vermischen sich, bis meine Stimme müde und rau wird und ich gezwungen bin, einen Moment innezuhalten, ehe ich mit frischer Kraft weitersingen kann.
Und auch wenn das den Sturz der Raben nicht aufhält, so
fallen sie doch wenigstens nicht mehr direkt auf uns. Ein Pfad hat sich aufgetan und erlaubt Kachina die freie Passage die Straße entlang.
Als wir die Stadt erreichen, hellt sich der Himmel schließlich auf. Der Rabensturm versiegt endlich – doch bleibt er mir noch lange im Gedächtnis.
Wie eine Nachricht von den Richters, mit der sie mich wissen lassen, dass das Stundenglas umgedreht wurde.
Die Zeit rinnt mir durch die Finger wie Sand.
Siebenundvierzig
I ch gleite von Kachinas Rücken, gebe ihr einen Klaps und weise sie an, zu Palomas Haus zurückzukehren, wo sie in Sicherheit ist. Dann stehe ich vor dem Rabbit Hole und beobachte ein Bild des organisierten Chaos, während ich versuche, mir einen Plan zurechtzulegen.
Sie haben die Anzahl der Türsteher verdreifacht und machen ein Riesentheater darum, allen unter einundzwanzig den Stempel mit dem roten Kojoten zu verpassen, doch sowie ich das Innere betrete, sehe ich, dass alles außer Kontrolle geraten ist.
Ich blicke mich um und bin nicht im Geringsten erstaunt darüber, dass die meisten bereits angetrunken sind. Alle zu ermuntern, sich an den Gratis-Getränken zu bedienen, ist ein klug geplanter
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