Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Schachzug vonseiten der Richters. Je betäubter das Bewusstsein ist, desto leichter lässt sich die Wahrnehmung verändern, womit sie freie Hand haben, zu machen, was sie wollen.
Eine Band steht auf der Bühne, zu deren Sound sich auf der Tanzfläche schon unzählige Leute verrenken, die allesamt wild bemalte Schädelmasken und die verschiedensten Kostüme tragen. Der ganze Club ist so dekoriert, wie es Paloma beschrieben hat – mit bunten Perlen und Totenschädelmasken an den Wänden, während auf den Tischen Berge von Bienenwachskerzen, Ringelblumen und große Platten stehen, auf denen sich Schädel aus Zucker und hausgemachte
Brote mit knochenförmigen Verzierungen türmen, die sie, glaube ich, pan de muerto genannt hat.
Doch so angestrengt ich mich auch umsehe, ich kann Cade nicht finden, was mich befürchten lässt, dass ich zu spät gekommen bin und er bereits durch das Portal gegangen ist und die Festlichkeiten ohne mich begonnen haben könnte.
»Ich habe dir was mitgebracht.«
Als ich mich umwende, drückt mir Xotichl eine bunte Schädelmaske in die Hände. Sie hat große, gefletschte Zähne, Blütenblätter von Ringelblumen um die Augenhöhlen und einen lavendelfarbenen Hintergrund und sieht damit fast genauso aus wie Xotichls eigene Maske, nur dass bei ihr der Hintergrund blau ist. »Ich dachte, du hast vielleicht keine, und so passt du besser zu den anderen. Das wird dich allerdings nicht vor Lita und der Fiesen Front retten. Soweit ich es beurteilen kann …« Sie reckt das Kinn und rümpft die Nase, ehe sie mich wieder ansieht. »Du bist nämlich geortet worden, und sie sind schon unterwegs zu dir.«
»Verblüffend, wie du das machst«, erwidere ich und bin mir ziemlich sicher, dass sie gerade gegrinst hat, wenn man danach geht, wie ihre Maske wackelt.
»Ich kann zwar ihre Anwesenheit spüren, aber was ich nicht spüren kann, ist, ob sie wieder ihre Marilyn-Monroe-Schädelmaske trägt.« Sie schüttelt den Kopf, als ich zu Lita hinüberschaue und ihr bestätige, dass sie genau die trägt, kombiniert mit einem weißen Brautkleid, das kurz, tief ausgeschnitten und mindestens eine Nummer zu klein ist. »Das ist ihre Art, Marilyn zu würdigen, während sie mit ihrem Geist zu kommunizieren sucht, und ich kann mich nie entscheiden, ob es morbide, gruselig, erbärmlich oder alles drei zugleich ist.«
Lita kommt auf uns zu. Zu ihrer Marilyn-Maske trägt sie
eine blonde Perücke, die ausgiebig Bekanntschaft mit einem Lockenstab geschlossen hat.
»Ich glaube, sie meint es richtig ernst mit dem gemeinsam Abhängen«, sagt Xotichl. »Die Frage ist nur, wie willst du damit umgehen?«
»Ich werde auch ganz ernst mit ihr abhängen«, erwidere ich, ohne ihr zu erklären, dass ich weniger an geistlosem Geplapper interessiert bin als vielmehr daran, Cade ausfindig zu machen. Falls jemand weiß, wo er ist, dann Lita. Sie lässt ihn nie allzu lange aus den Augen.
Lita steht vor uns, ihre Freundinnen direkt hinter ihr. Alle drei mustern mich und würden gern etwas Nettes sagen, obwohl auf der Hand liegt, dass ich nicht optimal gekleidet bin. »Coole Maske und schicke Stiefel«, sagt sie schließlich. »Zwar kein richtiges Kostüm, aber trotzdem cool.«
Und obwohl ich versucht bin zu lachen und an die Szene denken muss, die meine Stiefel in der Toilette ausgelöst haben, als ich als Kakerlake in der Ecke saß und sie belauschte, beschließe ich, ihr stattdessen zu danken.
»Ich glaube, du hast noch nicht alle kennen gelernt«, fährt Lita fort. »Das ist Jacy.« Sie zeigt auf ein Mädchen mit einer Schädelmaske, auf der die gleichen grell pinkfarbenen Lippen prangen, die sie auch ohne Maske bevorzugt, und einem sexy Bunny-Kostüm. »Und das ist Crickett.« Sie weist auf das Mädchen mit den besten blonden Strähnchen von allen drei, deren Maske fast ein exaktes Ebenbild von der Jacys ist, nur dass die Lippen eher rot als pink sind und sie im Kostüm eines frechen französischen Stubenmädchens steckt. Schließlich wendet sich Lita an Xotichl. »Wann spielen denn Epitaph?« Langsam frage ich mich, ob sie das vielleicht wirklich alles ganz ehrlich meint.
»Sie sind die Nächsten«, antwortet Xotichl, und die
Neuigkeit löst so aufgeregtes Geschnatter zwischen Lita und ihren Gefährtinnen aus, dass man meinen könnte, es handelte sich um eine wesentlich umwälzendere Nachricht.
Doch obwohl ich an den richtigen Stellen nicke und lache, bin ich nicht wirklich anwesend – höre gar nicht richtig hin. Ich bin
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