Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
nicht viel mehr zu tun, als ihr den Übergang in die nächste Welt so bequem und leicht wie möglich zu gestalten.«
Ich drehe mich mit verwirrter Miene um.
»Letztlich ist es das, was allen Krankheiten gemeinsam ist«, sagt er. »Ein Kraftverlust. Ein Seelenverlust.«
Seelenverlust.
Ein Verlust der Seele.
Die Worte hallen so laut in meinen Ohren wider, dass ich fast taub werde – während Bilder der untoten Richters, die leuchtende, weiße Kugeln verschlingen, meinen Kopf überschwemmen.
»Dann holt ihre Seele zurück!«, fordere ich, wobei mir klar ist, dass ich völligen Blödsinn rede. Könnte man das denn überhaupt?
»Es ist leider schon zu spät für eine Seelenrettung.« Chay sieht mich an. Er hat bereits akzeptiert, was ich noch hartnäckig leugne. »Es ist Zeit. Die Zeichen sind alle da. Also
bitte verabschiede dich, damit sie ungehindert weiterziehen kann.«
»Nein.« Ich sehe zwischen Chay und Paloma hin und her und sage es noch einmal. »Nein. Noch nicht. Ausgeschlossen. Das ist kein Zufall. Das ist das Werk der Richters – und vor allem von Cade.«
Chay sieht mich an, und sein Blick aus schmalen Augen zeigt mir, dass er sich nicht so sehr über die Mutmaßung an sich wundert als vielmehr darüber, sie aus meinem Munde zu hören.
»Wie verliert man denn eine Seele?« Ich recke das Kinn und mustere ihn, da ich unbedingt so viel wie möglich erfahren muss, wenn ich auch nur die geringste Hoffnung darauf haben will, meine abuela zu retten. »Und wenn sie erst einmal verloren ist, wie holt man sie zurück?«
Chay dreht an seinem Ring, und das goldene Auge des Adlers glitzert auf. »Ein Seelenverlust kann auf verschiedene Weisen geschehen. Manche treten ihre Macht an böswillige Wesen ab, im Austausch gegen Ruhm, Reichtum oder sogar Liebe. Manchmal ist es die Folge eines Traumas – der Tod eines lieben Menschen oder eine Gewalttat –, etwas, das den Betreffenden in einen so geschwächten Zustand versetzt, dass er seinen Lebenswillen verliert, wodurch wiederum die Seele für die gleichen böswilligen Wesen angreifbar wird, die dann begierig nach ihr greifen. Und in anderen Fällen …«
Er sieht mich an, unsicher, ob er es aussprechen soll, doch ich nicke ihm aufmunternd zu. Mir die Wahrheit zu ersparen, macht sie nicht weniger wahr.
»In anderen Fällen wird die ganze Seele oder auch Stücke der Seele einfach weggenommen – die Folge davon, wenn man von einem sehr mächtigen Hexenmeister mit bösen Absichten ins Visier genommen wird. Und ich fürchte, wenn
man erst einmal ins Visier geraten ist, ist es beinahe unmöglich, es ohne die Hilfe eines ebenso mächtigen Suchenden oder Schamanen – eines Lichtarbeiters – wieder ungeschehen zu machen.«
»Tja, ich bin eine Suchende – also, wo fange ich an?« Mein Tonfall ist verzweifelt.
»Seelenrettung ist eine sehr gefährliche Arbeit. Sie erfordert eine Reise an den Ort, wo die Seele festgehalten wird, und dann muss man das übelwollende Wesen, das sie gestohlen hat, zur Rede stellen, was oft lange und extrem kostspielige Verhandlungen nötig macht, ehe man sie zurückbekommt. Nur die begabtesten Schamanen und Suchenden sind dazu im Stande – und nur solche mit langjähriger Erfahrung.« Er sieht mich eindringlich an. »Du bist noch lange nicht so weit. Ich kann es dich nicht riskieren lassen. Paloma würde es nie erlauben.«
Beim Klang ihres Namens regt sich meine Großmutter. »Daire«, flüstert sie, was Leftfoots Lehrling veranlasst beiseitezutreten, während meine Großmutter, meine abuela, mühsam die Augen aufschlägt.
»Süße nieta.« Sie ringt um einen klaren Blick. Ihre Stimme klingt so gequält, dass ich erschauere. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe ein gutes Leben gelebt. Konzentrier dich auf sie. Du musst El Coyote aufhalten, koste es, was es wolle. Ich habe dich nicht alles gelehrt, aber ich habe dich gut gelehrt. Und jetzt musst du mich gehen lassen, nieta . «
»Nein, Paloma, nein, sag das nicht! Ich kann das nicht – nicht ohne dich! Ich weiß ja nicht einmal, wo ich anfangen soll!«
Mir bricht die Stimme, und meine Augen füllen sich mit Tränen, während ich auf meine Großmutter hinunterblicke, die allmählich ihr Leben aushaucht. »Du kannst und du
darfst mich nicht retten«, beschwört sie mich. »Verstehst du? Heute ist der Tag, nieta . Bitte geh, du musst dich beeilen.«
Ihre Augen schließen sich bereits und sperren mich aus, während ich mich zu Chay umwende. »Was haben wir heute für
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