Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
und führt mich weg von der Lichtung, auf die andere Seite des Waldes, wo eine heiße Quelle wartet. Das klare Thermalwasser versprüht einen feinen Hitzenebel, der auf ihrer Oberfläche wirbelt und tanzt.
Ich steige als Erste hinein, wobei das Wasser an meinem Kleid zerrt, bis es wie eine zweite Haut an mir klebt. Ich wate zum gegenüberliegenden
Ufer, wo ich begierig auf das süße Brennen seiner Finger warte, die meinen Körper erforschen. Mein Verlangen lodert wie ein Fieber in mir und kann nur von seinen Händen gelindert werden, die mein Gesicht umfassen, während seine Lippen auf meine treffen. Unsere Münder verschmelzen, wir schmecken uns und spielen miteinander – ein Kuss, der so berückend ist, dass er ein Feuerwerk von Bildern durch meinen Kopf blitzen lässt.
Bilder von einer Blume, die knospt, aufblüht und welk von ihrem Stängel fällt, nur um erneut zu erstehen, gehen in das von einer Menge strahlender Seelen über, die heller leuchten als der Tag, ehe sie auf Seelen stoßen, die so dunkel geworden sind, dass sie in der Schwärze der Nacht aufgehen. Die Seelen werden eins mit den Elementen, zeigen den endlosen Kreislauf des Himmels aus Schnee, Tau und Regen – die zwei Gesichter des Windes aus Leid und Aufschub – die ebenbürtige Fähigkeit des Feuers, zu wärmen oder zu zerstören – und die stoische Geduld der Erde bei ihrem Bestreben, alles aufzufangen, was wir fordern …
Die Bilder wiederholen sich, bis die Botschaft klar ist:
Ich bin der Wasserstoff in dem Wasser, in dem ich schwimme.
Ich bin der Sauerstoff in der Luft, die ich atme.
Ich bin die kleine Wärmeblase in dieser Mineralquelle.
Ich bin das Blut, das durch den Jungen strömt, der mich küsst – so sicher, wie ich der Schlag im Flügel des Raben bin, der mich zu ihm geführt hat.
Ich bin ein untrennbarer Bestandteil von allem – und alles ist ein untrennbarer Teil von mir.
Eine Wahrheit, die nie deutlicher wurde – offenbart in einem gefühlvollen Kuss.
Seine Finger bewegen sich schnell und geschickt. Sie wandern über die Vorderseite meines Kleids, schieben mir den Stoff über die Schultern, nach unten über die Taille, woraufhin er den Kopf senkt und mit den Lippen meine Haut sucht. Sein Drängen wird durch
den Druck meiner Hände aufgehalten, die sich fest gegen seine Wangen pressen, da ich ihn sehen, wirklich sehen will, genauso, wie er mich sieht.
Mit den Daumen glätte ich die scharfe Erhebung seiner Wangenknochen und zerzause ihm mit den anderen Fingern den feuchten Haarschopf. Ich streiche ihm die Haare von den Schläfen, hinter die Ohren und blicke in ein Paar eisblauer Augen mit tiefen, goldenen Flecken, die mein Bild tausendfach widerspiegeln.
Kaleidoskopaugen.
Ich schnappe nach Luft, außer Stande, meinen Blick von seinem zu wenden, nicht willens, woandershin zu sehen – womöglich nie wieder.
»Es ist Zeit«, sagt er und intensiviert seinen Blick, bis er sich regelrecht in meinen brennt.
Ich stimme rasch zu und nicke bestätigend. Ich erahne die Wahrheit hinter den Worten, auch wenn ich keine Ahnung habe, was sie bedeuten.
»Es gibt kein Zurück. Du bist dazu bestimmt, hier zu sein.«
Zurück?
Warum sollte ich jemals zurückwollen?
Ich wurde geboren, um ihn zu finden – dessen bin ich sicher.
Ich schiebe meine Gedanken beiseite und drücke mich fester an ihn. Ich schlinge die Beine um seine Knie, ziehe ihn an mich, begierig darauf, ihn erneut zu küssen.
Meine Lippen schwellen an, nähern sich ihm, nur um auf kalten, leeren Raum zu treffen.
Vor mir steht nicht mehr mein Freund – jemand anders hat seinen Platz eingenommen.
Jemand mit dem gleichen starken, schlanken Körper – dem gleichen wie gemeißelten Gesicht –, doch obwohl sein Haar schwarz und glänzend ist wie das meines Freundes, ist dieses Haar hier ganz kurz geschnitten. Und obwohl die Augen die gleiche Farbe
haben und in ihnen die gleichen Goldflecken prangen, endet damit die Ähnlichkeit.
Diese Augen sind kalt.
Grausam. Und statt etwas widerzuspiegeln, saugen sie einen ein wie die Leere, die ich in ihnen spüre.
»Ich übernehme dann jetzt.« Er versetzt meinem Freund einen unsanften Stoß.
»Untersteh dich.« Mein Freund erholt sich schnell. Sein Körper ist straff, die Muskeln gespannt – bereit, mich zu verteidigen.
Der Junge kichert und macht Anstalten, sich an ihm vorbeizudrängen, kommt aber nicht sehr weit. Seine Entgegnung erklingt mit höhnischer Stimme. »Keine Sorge, Bruder – ich will nur
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