Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Knöchel umkreisen. Aber keines dieser Wesen ist mein Lehrer – da bin ich mir sicher.
Ich wende mich dorthin, wo die Küste in einen herrlichen
Wald übergeht, voller Bäume mit breiten, kräftigen Stämmen, deren Äste so dicht belaubt sind, dass sie nur noch die kleinsten Lichtstrahlen durchlassen. Die Farben sind so lebhaft, dass es eher wie ein Ölgemälde wirkt als wie eine echte Landschaft. Die Blüten sind riesig, das Moos ist weich, dazu der Kokon der Stille, durchbrochen nur vom Wind, der zwischen den Blättern tanzt und sie leise rascheln und rauschen lässt – das Flüstern eines Lieds, das mich antreibt weiterzugehen, voranzuschreiten.
Ich folge dem Wind. Nehme Paloma beim Wort, als sie sagte, dass alles eine eigene Lebenskraft und eine Art zu kommunizieren hat. Ich folge ihm den ganzen Weg zu einer Lichtung, die ich aus meinen Träumen kenne, und bin alles andere als froh darüber, mich dort wiederzufinden.
Gehetzt schaue ich mich um, suche nach einem Stein, einem Stock, irgendetwas, womit ich mich verteidigen kann, falls das hier wieder schiefgeht, als ich ein leises, tiefes Krächzen höre. Als ich mich umdrehe, sehe ich den Raben direkt vor mir sitzen.
Mit schmalen Augen starre ich den Feind unverwandt an – den Raben mit den durchdringenden violetten Augen – denjenigen, der mich zu der schrecklichen Szene mit dem Dämonenjungen geführt hat.
Ich ducke mich zu Boden, greife nach einem kleinen Stein, doch ehe ich richtig zielen kann, ist der Rabe weg.
Suchend spähe ich in alle Richtungen, bis ich sein Krächzen erneut vernehme und ihn nur wenige Schritte hinter mir auf der Erde hocken sehe.
Den Stein nach wie vor in der Hand, hebe ich die Faust und ziele diesmal präziser, doch genau wie vorhin ist der Rabe, ehe ich werfen kann, verschwunden.
Mein Herz rast, und mein Atem geht abgehackt, als der
Rabe nur Augenblicke später erneut vor mir auftaucht – sein gekrümmter Schnabel öffnet sich weit, während er ein tiefes Krächzen ausstößt und mich mit blitzenden Augen ansieht.
Ich bücke mich nach einem weiteren Stein, umklammere ihn fest. Hebe die Hand. Konzentriere mich auf mein Ziel und sage: »Aller guten Dinge sind drei!« Ich sehe ihn blinzeln, als ich den Stein werfe, doch ich habe schlecht gezielt, und er fliegt weit vorbei – während Palomas Worte in meinem Kopf widerhallen:
Das Tier wird sich dreimal zeigen – daran erkennst du, dass es das richtige ist, also musst du ganz genau aufpassen.
»Du!« Ich starre ihn an. Ein geflüsterter Vorwurf, direkt an ihn gerichtet.
Und ehe ich mich’s versehe, erhebt er sich zum Flug. Spannt weit die spitz zulaufenden Schwingen aus und beschreibt einen perfekten Kreis über meinem Kopf, bevor er noch höher hinauffliegt und dem Wind folgt.
Palomas Hand liegt auf meiner Schulter und lockt mich zurück in die Geborgenheit ihres warmen Lehmziegelhauses. Ihre Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern, als sie sagt: »Komm zurück, nieta . Es ist Zeit zurückzukehren.«
Sechzehn
I ch hebe den Kopf vom Tisch, streiche mir blinzelnd das zerzauste Haar aus den Augen und stecke mir die Strähnen hinter die Ohren. Staunend registriere ich, wie klar mein Kopf ist – ganz und gar nicht suppig und dick, wie ich mich immer unter meinen Medikamenten gefühlt habe.
»Wie lange war ich weg?« Ich recke den Hals nach allen Seiten, dehne die Muskeln, als würde ich aus einem schönen, langen Nickerchen aufwachen.
Paloma lächelt. Sie stellt mir ein Glas Wasser hin und drängt mich zu trinken. »Ungefähr dreißig Minuten. Obwohl ich schätze, dass es dir kürzer vorgekommen ist. Deine Reise war erfolgreich, hoffe ich?«
Ich trinke einen Schluck. Dann ziehe ich an meinen Ärmeln, bis sie mir zu den Fingerknöcheln reichen, ohne zu bemerken, dass ich immer noch den kleinen schwarzen Stein in der Hand halte.
Erfolgreich?
Eigentlich nicht das Wort, das ich dafür benutzen würde. Trotzdem sehe ich sie an und sage: »Ich habe meinen Lehrer getroffen, falls du das meinst. Aber ob das gut ist …«
Den letzten Teil habe ich so leise gesprochen, dass er nicht mehr zu verstehen war, aber obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass sie alles gehört hat, übergeht sie es und fragt stattdessen: »In welche Richtung bist du gereist? Nach oben, nach unten oder zur Seite?«
Ich halte einen Moment lang inne, denke an den Baum, die Wurzeln, den Tunnel, die Würmer … »Nach unten«, antworte ich. »Ich bin tief in die Erde gereist.«
»Die
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