Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
du sicherer. Wenn du blond wärst, hätten sie dich bei lebendigem Leib aufgefressen, das sag ich dir.«
Ich mustere sie genauer und registriere, dass ihr Blick ins Leere geht und sie einen weißen Stock mit roter Spitze in der Hand hält, was mich beides zu der Überzeugung bringt, dass sie unmöglich wissen kann, was für eine Haarfarbe ich habe.
»Dem letzten neuen Mädchen ist es nicht so gut ergangen«,
fährt sie fort. »Vor allem, weil sie naturblond war und blaue Augen hatte, ist sie hier auf keinen grünen Zweig gekommen. Knapp zwei Monate hat sie durchgehalten, ehe sie das Handtuch geworfen und sich an einer Internetschule angemeldet hat.« Sie zuckt die Achseln. »War echt schade. Ich mochte sie richtig gern. Aber ich habe das Gefühl, dass du deutlich besser zurechtkommen wirst. Versuch, dich durchzubeißen. Aber ich will dir nichts vormachen – es kann auch sein, dass sie nie Ruhe geben. Aber du mit deinem dunklen Haar und den grünen Augen kannst wenigstens in der Masse aufgehen, was dich zu einer wesentlich weniger schlimmen Bedrohung für sie macht. Wenn du ihnen aus dem Weg gehst, wird es ihnen irgendwann langweilig, und sie gehen dir auch aus dem Weg. Allerdings könnte Cade zu einem Problem werden. Er scheint ziemlich an dir interessiert zu sein – und das wird Lita, der Anführerin, nicht gefallen. Sie waren in den letzten Jahren immer mal wieder zusammen und dann wieder nicht. Aber selbst wenn sie offiziell getrennt sind, sieht sie es irgendwie nicht ganz so, und jedes Mädchen, das sich für ihn interessiert, bereut es am Ende.« Sie legt den Kopf schief, als würde sie eine schwierige gedankliche Gleichung durcharbeiten und die statistische Wahrscheinlichkeit dafür ausrechnen, ob ich diese Schule überleben werde.
Schließlich konzentriert sie sich erneut auf mich, wobei sie mich zwar natürlich nicht ansieht, aber sich eben wieder auf mich einstellt. »Ich heiße Sochee«, sagt sie. »So spricht man es jedenfalls aus: So-tschi. Das sage ich dir, denn wenn du sehen würdest, wie man es schreibt, kämst du da nie drauf. Man schreibt es nämlich X-O-T-I-C-H-L, und nur damit du es weißt, das heißt Blume. Manche Leute sprechen es mit einem weichen D oder auch mit einem ›Schie‹ oder ›Schiel‹ statt des ›Tschi‹, aber ich habe gelernt, es ›Sotschi‹ auszusprechen,
und deshalb sage ich es auch so.« Sie nickt und signalisiert mir damit, dass das alles war. Ich muss zugeben, dass ich erleichtert bin, denn mir raucht der Kopf von alldem, was sie mir gerade alles erzählt hat.
»Und ich vermute, dass du dich jetzt gerade hektisch umschaust und verzweifelt nach einem Fluchtweg suchst, weil du denkst, du bist von den grausamen Mädchen direkt in die Hände eines komplett durchgeknallten Mädchens mit einem bizarren Namen gefallen, und jetzt nicht weißt, was schlimmer ist.« Sie lacht, und das Geräusch ist ebenso leicht und hell und schön wie sie selbst.
»Woher weißt du denn das alles, wenn du … na ja, es macht eben den Eindruck, als wärst du vielleicht …« Mehrere Alternativen rasen mir durch den Kopf, aber ich weiß nicht, welche davon passend ist, und so lasse ich meinen Satz unvollendet.
»Blind? Sehbehindert? Optisch herausgefordert?« Sie beugt sich zu mir herüber und schenkt mir ein großzügiges Lächeln, das eine Reihe gerader weißer Zähne zur Schau stellt. »Tja, nur damit du’s weißt, die Antwort ist in allen drei Fällen ja. Aber sag mal, wie bist du darauf gekommen?«
Sie tippt mit dem Stock gegen den grau gefliesten Fußboden, woraufhin meine Wangen ganz heiß werden und ich froh bin, dass sie mich nicht sehen kann. Trotzdem bin ich nicht bereit, sie so einfach vom Haken zu lassen. »Und wie kannst du angesichts dessen wissen, dass ich grüne Augen und braune Haare habe?«, frage ich und mustere sie erneut von oben bis unten. Dabei frage ich mich, ob sie alles irgendwie vortäuscht oder ob es irgendein Rundschreiben gab, das sämtliche Schüler über die Neue informiert hat.
Aber Xotichl lächelt nur. »Manche würden sagen, dass ich sehr scharfsinnig bin.«
»Und was würdest du selbst sagen?«, frage ich mit leicht gereiztem Unterton, da ich diese Spielchen leid bin.
»Ich würde sagen, ich stimme zu.« Sie senkt den Kopf, um das Grinsen zu verbergen, das sich in ihr Gesicht geschlichen hat.
Ich werde nervös. Ziehe den Riemen meiner Tasche hoch über die Schulter und versuche, mir irgendeine Erwiderung einfallen zu lassen. Doch ehe ich die
Weitere Kostenlose Bücher