Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
zum Seiteneingang. Sofort fällt mir auf, wie sehr sich der Anblick von den beiden anderen Malen unterscheidet, die ich schon hier war. Beim ersten Mal als verschrecktes, halluzinierendes Nervenbündel von einem Mädchen, was prompt zur Folge hatte, dass alles dunkel, dräuend und düster aussah. Und dann, erst vor wenigen Stunden, als ich alles durch die Augen des Raben gesehen habe und es beinahe gewöhnlich, alltäglich, ja sogar langweilig wirkte. Doch das wollen einem die Richters eben vorgaukeln. Es ist genau, wie Paloma gesagt hat – jetzt, da ich als Suchende ausgebildet bin, jetzt, da ich die Wahrheit über die Welt weiß, registriere ich sofort, dass etwas weitaus Finstereres unter der Oberfläche lauert.
Ich gehe auf die Tür zu, schiebe mich im Pulk mit den anderen langsam vorwärts und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen,
als mir der Türsteher den gleichen Stempel wie bei meinem ersten Besuch hier auf die Hand drückt: einen Kojoten mit leuchtend roten Augen.
El Coyote, es ist höchste Zeit, dass ihr mit einer neuen Generation von Suchenden Bekanntschaft macht.
Meine gespielte Tapferkeit hält genau zehn Sekunden lang an, bis ich hinter der Tür als Erstes Lita und den Rest der Fiesen Front sehe, wie Xotichl sie genannt hat.
Doch statt des gewohnten Spotts, den ich schon erwarte, treffe ich nur auf drei interessiert dreinblickende Augenpaare, die meinen Weg aufmerksam verfolgen, während ich mich bis zur Bühne vordrängle, wo Xotichl mit zusammengekniffenen Augen dasteht, die Handflächen gegen eine der Lautsprecherboxen gepresst, während Auden einen Soundcheck nach dem anderen vornimmt.
»Du hast es also geschafft.« Sie lächelt mit geschlossenen Augen und dreht den Kopf zu mir.
»Ja, hab ich«, sage ich und frage mich, was sie da macht, doch sie erklärt es mir, noch bevor ich sie darauf ansprechen kann.
»Ich kann die Energie der Musik sehen.« Sie schlägt die Augen auf, auch wenn ihr Blick verschwommen und abwesend bleibt.
»Du kannst sie … sehen?« Ich mustere sie genau und betrachte ihren süßen Jeansrock und das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck »Epitaph« in silberner Schreibschrift. »Aber … wie ?«, frage ich. So etwas habe ich noch nie gehört.
»Erstaunlich, was?« Sie grinst so breit, dass ihr ganzes Gesicht leuchtet. »Es ist nicht so, wie du vielleicht denkst. Keine richtigen Bilder oder so. Es sind eher helle, leuchtende Farbblitze. Musik ist Energie, aber das weißt du ja, oder? Tja, im Grunde ist alles Energie, das ist wissenschaftlich bewiesen.
Aber egal, zurück zur Musik – weißt du, jeder Ton hat seine eigene Energie, seine eigene Vibration, die wiederum ihre eigene entsprechende Farbe birgt. Ich weiß nicht, ob Paloma dir das gesagt hat, aber dadurch haben Auden und ich uns kennen gelernt. Also, nicht hier im Rabbit Hole, aber wegen der ganzen Geschichte mit Energie, Musik, Farbe und dem Zusammenhang zwischen alledem. Eigentlich ist das alles Palomas Schuld.« Sie lacht. »Wir arbeiten jetzt schon seit zwei Jahren daran, und sie hat mir geholfen, es zu entdecken. Als dann Auden eingewilligt hat, mir bei der Feinabstimmung zu helfen, hat sie uns zusammengebracht, und es war Liebe auf den ersten Blick! Seine Musik ist sagenhaft«, schwärmt sie mit verträumten Gesichtszügen. »Du müsstest mal sehen, wie viel Farbe sie ausstrahlt. Sie ist genauso lebhaft wie er.«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal neidisch auf ein blindes Mädchen wäre – oder überhaupt auf irgendein Mädchen. Ich bin immer mehr oder weniger damit zufrieden gewesen, einfach nur ich zu sein, so oder so. Aber Xotichls Freude ist so ansteckend, dass ich mich unwillkürlich frage, wie es wohl wäre, sie zu sein. In ihrer Haut zu stecken. So voller Glück und Liebe zu sein, dass es einfach heraus muss.
Und nie mit der unangenehmen Aufgabe konfrontiert zu sein, meine Energie mit der einer Kakerlake verschmelzen zu müssen, um ein Portal aufzuspüren.
Ob sie auch nur ansatzweise ahnt, wie gut sie es hat? Doch als ich sie erneut ansehe, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie es weiß.
»Ach, und nur damit du es weißt …« Sie senkt die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Deine Hollywood-Vergangenheit hat sich herumgesprochen.«
Ich schnappe nach Luft.
»Anscheinend machst du dich echt gut auf dem Titelblatt.« Sie nickt. Ich kann nicht feststellen, ob ihr Tonfall einen Hauch Schadenfreude enthält oder ob ich einfach nur
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