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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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das zweite Mal auf.
Scheint sich ordentlich bedient zu haben, die verfluchte Mücke. Es ist noch
dunkel, als Marcos und ich die Herberge verlassen und uns auf Marcos’ letzte,
meine vorletzte Etappe machen. Richtig melancholisch und traurig will es
allerdings nicht werden, erstens haben wir noch den ganzen Tag vor uns, und
zweitens ist es gerade saukalt. Relativ optimistisch gehen wir die heutigen
knapp zweiunddreißig Kilometer bis Fisterra an. Am Ortsausgang müssen wir aber
erst einmal genau hinsehen, wo es langgeht. Nur dank eines wachsamen Paares,
das zunächst mit uns läuft, entdecken wir den versteckten Weg in der
Dunkelheit. Bis nach Hospital geht es anderthalb Stunden durch eine
märchenhafte Hügellandschaft, hier und da von zaghaftem Nebel umspielt, während
auf der rechten Seite die aufgehende Sonne die Hügelketten in prächtige, satte
Rottöne taucht. Als wir schließlich die völlig einsam und abseits des Ortes an
einer breiten Straße gelegene Bar von Hospital erreichen, strahlt die Sonne wie
auf einem Postkartenmotiv vom Himmel. Da die Bar das einzige Lokal weit und
breit zu sein scheint, sind — anders als die Gerichte — die Preise kräftig
gesalzen. Natürlich hockt Evelyn vor dem Lokal und isst eine tarta francés
con chorizo , ein Eieromelette mit Paprikawurst. Da muss ich nicht lange
überlegen, ich bestelle mir auch so ein Ding
    Philipp, der Wiener, ist nun
mit seinem verrückten Landsmann Helmut unterwegs, bei dem Daisy in Negreira im
Zelt geschlafen hat. Von der Dame ist allerdings nichts zu sehen. Am besten ich
stelle keine unangenehmen Fragen. Helmut trägt einen tollen Trachtenhut und ist
praktisch immer gut gelaunt. Da heute sein letzter Wandertag ist, haut er sich
erst einmal um neun Uhr morgens ein Bier rein. Chris, die Marcos und mich
eingeholt hat, findet das ziemlich unglaublich, obwohl sie wie ich aus dem
Ruhrgebiet stammt und das obligatorische Morgenbier kennen müsste — Stichwort
Trinkhalle. Da mein heutiges Lauftempo wieder einmal dem einer Schildkröte
gleicht, gehen Chris und Marcos schon mal vor. Kein Problem für mich,
schließlich ist mir heute danach, ein bisschen für mich zu sein und die letzten
Wochen Revue passieren zu lassen.
    Nach dem reichhaltigen
Frühstück fühle ich mich großartig, regelrecht vollgetankt mit Energie. Ohne
Probleme meistere ich die anschließenden rund elf Kilometer bis Os Camiños
Chans, die so abwechslungsreich sind wie kaum ein anderer Teil des Camino.
Zunächst geht es über Feld- und Wanderwege, flankiert von kräftigen Farben,
endlosen Baumkulturen und weiten, saftigen Wiesen. Irgendwann, mitten im Grün,
passiere ich die Kapelle Nosa Señora das Neves (spanisch: Nuestra Señora de las
Nieves) aus dem achtzehnten Jahrhundert. Mein Wanderführer weiß von der Legende
zu berichten, dass die nahegelegene Wasserquelle »gut für stillende Frauen und
Muttertiere« sein soll. Ich als Texter werde bei dem Wort »gut« eher
vorsichtig, denn ein »gutes« Angebot kann dich am Ende des Tages in Grund und
Boden planieren. Gegenüber der Kapelle auf einem kleinen Rastplatz begegne ich
der heute ausgeglichen und entspannt wirkenden Annemarie. Sie eröffnet mir,
dass sie heute nicht nach Fisterra laufen werde. Sie sei viel zu früh dran und
werde deshalb eine ungeplante Übernachtung in Cee, einem Küstenort etwa zwei
Stunden von hier, einlegen. Also verabschieden wir uns, wahrscheinlich für
immer, und ich setze meinen Weg fort.
    Tja, so ist das hier auf dem
Camino: Manche Wege kreuzen sich und gehen wieder auseinander, andere verlaufen
einfach parallel und begegnen sich nie. Wiederum andere treffen sich immer
wieder, mal häufiger, mal seltener. Man hört und liest ja in praktisch allen
Publikationen zum Thema Jakobsweg, dass der Camino Parallelen zu allen
möglichen Bereichen des Lebens oder gar zum Leben selbst aufweise. Ich kann die
Aussage im Prinzip so bestätigen, allerdings tue ich mich mit der einen oder
anderen Plattitüde extrem schwer. Schließlich könnte ich das Leben auch, sagen
wir mal, mit einer Currywurst vergleichen. Zu Beginn einer Currywurst wird
ebenfalls etwas durchgeschnitten, die ersten Stücke sind besonders zart und
schmackhaft, aber dann kommt so langsam die Schärfe, irgendwann ist zu wenig
Soße da, es wird trockener und trockener, und am Ende bleibt halt nichts übrig.
Außer vielleicht die Pommes, die man bestimmt auch noch mit irgendetwas
vergleichen kann. Willkommen im Land der Binsenweisheiten. Wenn wir schon

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