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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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dann diesen
unschätzbar wertvollen, weil so einfachen Hinweis. Mein Rucksack, der GoLite
Jam 2 , wiegt ohne Inhalt gerade einmal siebenhundert Gramm. Dabei
wurde mir von einem Globetrotter-Mitarbeiter zunächst ein anderthalb Kilogramm
schwerer Trekkingrucksack mit Gestell und allen Schikanen angeboten, obwohl so
etwas erst ab einem Gesamtgewicht von acht Kilogramm benötigt wird. Acht
Kilogramm, die magische Zahl. Viele Pilger sind mit ziemlich genau acht
Kilogramm unterwegs. Zwei Kilogramm entfallen auf den Rucksack, viereinhalb auf
das eigentliche Gepäck und anderthalb auf den Proviant. Die schleppen
tatsächlich mehr Rucksack als Proviant durch die Gegend. Absurd, wie ich finde.
    Dabei ist es gar nicht so
schwierig, Gewicht zu sparen. Man muss nur konsequent packen, jedes Gepäckstück
abwiegen und ein bisschen mitdenken, Stichwort Backgammonbrett. Beispielsweise
habe ich zwei identische Zip-Hosen gekauft, aber nur ein Paar Beinteile
mitgenommen, da ich eh die meiste Zeit mit kurzen Hosen laufe. Mein Fleecepulli
wiegt zweihundert Gramm, mein Handtuch achtzig, meine Regenjacke keine
hundertsechzig. Ich habe weder Bücher noch überflüssige Schlüssel dabei, statt
einer schweren Taschenlampe eine leichte LED-Stirnlampe, statt einer schweren
Tupperdose eine leichte Ziploc-Tüte. Statt das Geld in einer Geldbörse zu
transportieren, stopfe ich es direkt in die Hosen- oder Hüfttasche. Und wenn
mir jemand damit kommt, ein Pilger müsse leiden, dem zeige ich direkt mal ’nen
Vogel. Schwere Rucksäcke beweisen nichts außer dass man nicht bereit ist, auf
Überflüssiges zu verzichten oder gewisse Vorhaben vernünftig vorzubereiten. Wer
einen vollgestopften Armeerucksack über den Camino schleppen möchte, muss von
meiner Seite keinen Widerstand fürchten. Aber ich möchte bloß keinen
Schwachsinn hören, der in die Richtung geht, ich würde weniger leisten. Ich
habe in meiner Vorbereitung mehr getan, also muss ich jetzt weniger schleppen.
Mister Armeerucksack hat in seiner Vorbereitung weniger getan, also muss er
eben mehr schleppen. So ist das Leben.
    Jedenfalls beschließe ich, mich
an der laufenden Diskussion nicht zu beteiligen und mich weiter meinen Notizen
zu widmen. Wie sollte ich auch sechs Spaniern, die ausschließlich Spanisch
sprechen, und vier Italienern, die ausschließlich Italienisch sprechen, in
gebrochenem Spanisch mit einem Schuss Englisch meine Packliste erklären?
Abgesehen davon sind auf dem Camino echte Granaten unterwegs. So absurd es
klingen mag: Es gibt Leute, die einen Wasserentkalker dabei haben! Laufen sich die
Seele aus dem Leib, lassen sich von Bettwanzen anknabbern und fressen
fetttriefende Pilgermenüs, aber Hauptsache, das Wasser ist entkalkt. Das Leben
liefert nach wie vor die besten Anekdoten.
    Bei dem hemmungslosen Gebrüll,
das gerade um mich herum tobt, kommt mir ein anderer, wesentlich schlimmerer
Aspekt in den Sinn. Zunächst einmal stelle ich die Behauptung auf, dass die
meisten Pilger in Ordnung sind. Sie werden von einem bestimmten Motiv
angetrieben, verhalten sich freundlich und rücksichtsvoll und sprechen
wenigstens ein paar Brocken Spanisch. Allerdings gibt es wie überall
unrühmliche Ausnahmen, die jegliche Rücksichtnahme vermissen lassen, besonders
in Bezug auf ältere oder gläubige Pilger. Ich glaube weder an Gott noch an
Jesus Christus, aber ich respektiere jeden Menschen, der mir seinerseits
Respekt entgegenbringt. Wer den Camino de Santiago geht, sollte sich der
Historie bewusst sein: Es handelt sich um einen christlichen Weg. Christen
haben ihn ausgebaut. Christen haben die Infrastruktur geschaffen, die wir
nutzen. Christen betreiben die meisten Pilgerherbergen am Camino. Aus diesen
und unzähligen weiteren Gründen hat niemand das Recht, ihnen respekt- und
rücksichtslos ihre Pilgerschaft zu versauen. Seien es die bereits beginnenden
Bettenwettrennen, seien es extreme Frühaufsteher, die um halb sechs mit mächtig
Radau ihre acht Kilo schweren Rucksäcke vollstopfen, seien es die
Hardcore-Säufer, die man bis spät in die Nacht grölen, anschließend sogar durch
die Ohrstöpsel schnarchen hört.
    Ich jedenfalls habe mich längst
von der Vorstellung verabschiedet, Pilger seien grundsätzlich zugängliche,
offenherzige Menschen. Viele von ihnen sind anpassungsunwillige Idioten aus der
Post-Hippie-Ära, die denken, sie könnten sich hier auf dem Camino aufführen wie
bei einem beschissenen Kifferfestival. Arschloch bleibt Arschloch, mit oder
ohne Jakobsmuschel

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