Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
eine Hand auf meine Schulter, während er die Seite las. » ›Goldene Hallen‹, das bezieht sich wahrscheinlich auf den Hohen Hof des Feenlands.«
Ich sah ihn verdutzt an. » Echt?« Schnell schrieb ich es auf. Aber wenn mit den » Goldenen Hallen« in der Zeile » …und die Goldenen Hallen werden am Morgen danach von einem Albtraum beherrscht sein« tatsächlich der Hohe Hof des Feenlandes gemeint war, dann verwirrte mich das im Grunde nur noch mehr. Warum sollte die Schattenfrau– wer immer sie sein mochte– das ausgerechnet mir mitteilen wollen? Es sei denn, es bezieht sich auf Colemans Ritual. Weil seine Pläne eine Bedrohung für das Feenreich sind? Und noch einmal: Wieso hatte ich diese Nachricht erhalten?
Die zweite Zeile war viel klarer: » Sie, die SIEHT , kennt den leeren Blick der Augen.« Sowohl der Tod als auch der Goblin bezogen sich beide mit dem Begriff SEHEN darauf, dass man eine Illusion durchschauen konnte. » …und siebenmal wird sie wissen, was er genommen hat.« Falls » er« sich auf Coleman bezog, dann wusste ich, was er nahm: Seelen.
» Die zweite Hälfte der zweiten Zeile könnte darauf hindeuten, dass es sieben Opfer gibt«, sagte ich. Aber immer noch war es nur eine Vermutung, dass diese Warnung sich auf Colemans Zauber bezog. Sie konnte auch auf jemand ganz anderen hinweisen. Oder einfach blanker Unsinn sein.
Falin trat einen Schritt zurück. » Es gibt Spuren von schwarzer Magie auf Sallys Leiche.«
» Hat Tamara das herausgefunden?«
Er schüttelte den Kopf.
Ich runzelte die Stirn. Tamara hatte auch den Zauber nicht gespürt, der von Bethany auf mich übergegangen war. War es vielleicht der gleiche? Doch wenn dieser seelenaussaugende Zauber Sally tatsächlich getötet hatte, warum dann so schnell? Ich war schon seit vier Tagen damit infiziert. Sally war nach nur einem Tag gestorben.
» Was…« Falin unterbrach sich, als sein Handy zu summen begann, und las die eingegangene SMS . » Ich muss los. Geh nicht ohne mich ins ›Eternal Bloom‹.«
Ich blickte auf die Uhr. Es war bereits halb zwölf. » Was ist denn los?«, wollte ich wissen.
» Sie haben eine weitere Leiche gefunden.«
Zögernd stieg ich aus Hollys Wagen. » Willst du nicht doch auf einen Drink mit reinkommen?«
Holly schüttelte den Kopf. » Ich hab gestern einen wichtigen Fall auf meinen Schreibtisch bekommen, und jetzt muss ich für meinen Boss Nachforschungen anstellen. Hab echt viel zu tun. Aber wir sehen uns ja nachher. Viel Spaß.«
Ich sagte nichts mehr, weil ich sie sonst vielleicht noch einmal angebettelt hätte mitzukommen, und schloss die Beifahrertür. Nun, da ich vor dem » Eternal Bloom« stand, war mir schon ein bisschen mulmig zumute, und ich wünschte mir inständig, jemand wäre bei mir.
Ach was, Unsinn. Ich war hier, ich würde reingehen, und ich würde erfahren, was Ashen herausgefunden hatte. Ich schob den Riemen meiner Tasche höher auf die Schulter und ging die Treppe hinauf.
Direkt hinter der Tür befand sich ein kleiner Raum– zu klein, denn der Türsteher war ein Troll. Er musste gebückt stehen, obwohl die Decke fast drei Meter hoch war, seine Fingerknöchel streiften den Boden neben seinen bloßen blauen Füßen. Zwei Hauer ragten aus seinem Mund.
» Bitte überlegen Sie, ob Sie einen Gegenstand aus Eisen dabeihaben«, forderte er mich auf, und seine tiefe Stimme hallte von den Wänden wider.
Ich dachte kurz nach. Meine Autoschlüssel enthielten vielleicht Eisen, doch sie waren mir mitsamt dem Auto gestohlen worden. Ich hatte den Dolch dabei; da er jedoch feengeschmiedet war, war die Klinge sicher nicht aus Eisen. Und davon, dass man Waffen nicht mit hineinnehmen durfte, hatte der Troll nichts gesagt.
» Kein Eisen«, erwiderte ich lächelnd.
Er nickte. » Bitte in das Buch eintragen.«
Ich sah mich um, konnte jedoch kein Buch entdecken. Dabei erinnerte ich mich daran, dass bei meinem letzten Besuch ein Pult hiergestanden hatte.
Der Troll beobachtete mich und runzelte die Stirn. Dann trat er beiseite.
Richtig. Dieses Buch. Das Buch irgendwo hinter dem Troll. Ich kritzelte meinen Namen hinein, mir in jeder Sekunde des riesenhaften Feenwesens bewusst, das mir in den Nacken atmete.
» Al-lex Ca-raft«, las er laut. Er schaute auf sein Klemmbrett. » Sie haben VIP -Status.«
Er rückte noch ein Stück weiter zur Seite und zeigte auf eine Tür, deren Existenz mir bis dahin noch nie aufgefallen war.
Ich runzelte die Stirn. » Nein, habe ich nicht«, erwiderte ich, und
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