Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
der Troll sah mich verwirrt an. » Ich bin kein VIP .« Ganz bestimmt wollte ich kein VIP sein und schon gar nicht hier.
Der Troll kratzte sich mit einem Finger, der so dick war wie mein Handgelenk, am kahlen Kopf. » Alex Craft. VIP .«
» Nein, bin ich nicht. Ich möchte in den allgemein zugänglichen Bereich der Bar.«
Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. Er blickte auf die Tür, auf das Klemmbrett, ins Buch und wieder aufs Klemmbrett. Dann schüttelte er den Kopf.
Okay, dann also nicht. Offenbar würde ich Ashen versetzen müssen. Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass man mich plötzlich zu einer besonders wichtigen Person erhoben hatte. Und deshalb wollte ich nur noch nach draußen.
Ich schob die Eingangstür auf, stürzte hinaus– und prallte gegen jemanden, der gerade hereinkommen wollte.
Ich wich zurück. » Entschuldigung. Ich…«
» Nein, ich muss mich entschuldigen, Miss Craft, dafür, dass ich Sie habe warten lassen.« Ashen verbeugte sich tief. » Ich kenne mich hier nicht aus. Daher habe ich mich ein wenig verspätet.«
Na klar, bei meinem Glück konnte es ja nur Ashen sein!
» Sie sind nicht zu spät. Ich bin auch gerade erst gekommen«, erwiderte ich und bedauerte es sofort, weil er lächelte und auf die Tür zeigte.
» Sollen wir uns einen Tisch suchen?«
» Ich… äh…« Ich blickte auf das Gebäude hinter mir. » Ehrlich gesagt, ich hatte ein Problem mit dem Türsteher. Wir könnten doch auch woanders essen.«
» Ein Problem mit dem Türsteher? Ich werde das klären.« Er zog seine Brieftasche und nahm meinen Arm. » Ich habe festgestellt, dass Grün auch die Lieblingsfarbe des Feenvolks ist, genauso wie der menschlichen Wesen.«
» Bitte überprüfen Sie, ob Sie einen Gegenstand aus Eisen dabeihaben«, sagte der Troll, als Ashen die Tür öffnete.
» Kein Eisen, mein guter Mann«, erwiderte Ashen und drückte dem Troll eine Zwanzig-Dollar-Note in die Hand. » Die Dame, die mich begleitet, und ich, wir hätten gern einen Tisch, an dem wir uns in Ruhe unterhalten können. Das lässt sich doch sicher machen, oder?«
Der Troll deutete mit seinem gewaltigen Kopf zur Seite.
» Sehen Sie«, flüsterte Ashen mir zu, zog mich durch ebendie Tür, durch die ich nicht hatte gehen wollen, und führte mich in den VIP -Bereich des » Eternal Bloom«.
20. Kapitel
B itte tragen Sie sich in das Buch ein«, sagte eine zarte Stimme, als Ashen die Tür hinter uns zuzog.
Ich wandte mich um und entdeckte eine Pixie, eine winzig kleine Elfe, die auf dem Rand eines Pults saß und Flügel wie ein Mondspinner hatte.
» Ich habe mich draußen schon eingetragen«, erwiderte ich.
» In das Buch«, wiederholte sie. » Name, Datum, Uhrzeit.«
Ich blickte Ashen an, und er zuckte mit den Schultern. Na ja, dann würde ich mich eben noch mal eintragen. Aber ich nahm mir vor, Ashen zu bitten, in ein anderes Lokal zu gehen, sobald er sich umgeschaut hatte– oder noch früher, falls irgendetwas Seltsames passierte.
Der VIP -Bereich des » Eternal Bloom« war so, wie ich es erwartet hatte– und gleichzeitig auch ganz anders. Hier gab es definitiv mehr Feenwesen in ihrer wirklichen Gestalt, als ich sie jemals im öffentlich zugänglichen Teil des Lokals gesehen hatte. Aber das war ja nachvollziehbar. Dort saßen sie schließlich wie auf dem Präsentierteller– hier konnten sie sich entspannen. Die meisten schenkten uns keinen Blick, als Ashen mich zu einem Tisch in einer Ecke führte. Ich wählte den Platz an der Wand– ich wollte nicht mit dem Rücken zu den anderen Gästen sitzen. Unauffällig musterte ich die Feenwesen, doch ich konnte nichts Böswilliges in ihren Blicken lesen.
Dann schaute ich mich um, überlegte, was in diesem Raum Wirklichkeit war und was Illusion. Die schmucklosen hölzernen Wände waren wohl real genug, aber was die Tische und Stühle betraf, war ich mir nicht so sicher. Sie waren so kunstvoll gearbeitet, dass sie wohl nicht von eisernen Schrauben zusammengehalten wurden. Illusionszauber waren so stark, dass sie die Wirklichkeit veränderten. Das Prinzip war einfach: Ich sah einen Stuhl, ich fühlte einen Stuhl, also stimmte die Wirklichkeit mir zu und sagte: Okay, dann muss auch ein Stuhl hier sein.
Mein Blick blieb an einem alten Baum hängen, der in der Mitte des Raums durch die Dielen wuchs. Von draußen sieht man keinen Baum aus dem Gebäude wachsen. Ich schaute nach oben. Etwa sechs Meter über meinem Kopf bildeten die Äste ein falsches Dach. Und zwischen den Ästen sah ich
Weitere Kostenlose Bücher