Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
zweiten Opfer. In den Unterlagen stand, dass sie eine telekinetisch begabte Hexe gewesen war, obwohl John daneben vermerkt hatte, dass sie nicht zertifiziert war.
Wie konnte eine Hexe nicht zertifiziert sein?
Wir alle bekamen ein Zertifikat, wenn wir die Akademien verließen. Aber vielleicht hatte sie keine Akademie besucht. Oder sie war rausgeflogen– so, wie es mir beinahe wegen meiner schlechten Noten im Zauberwirken passiert wäre.
» Das kann es doch nicht sein«, flüsterte ich.
» Was?«
Ich sah Falin an. Öffnete meinen Mund und schloss ihn wieder. Das kann nicht die Verbindung sein. Wie sollte jemand das zurückverfolgen? Ich schüttelte den Kopf.
Falin zog die Brauen zusammen. » Alex, wir haben nicht gerade viele Hinweise. Wenn du eine Vermutung bezüglich einer Verbindung hast, dann sag es mir.«
» Es kann bloßer Zufall sein, aber das zweite Opfer war eine nicht zertifizierte Hexe. Bethany– du weißt schon, die dritte Tote– und ich kannten uns von der Akademie, wo wir beide eine Förderklasse für Zauberwirken besuchen mussten. Helena hat immer behauptet, dass sie nicht einmal einen Kreis ordentlich errichten könnte. Das vierte Opfer hat einen Magie-Kurs für magisch nicht Begabte besucht. Das fünfte Opfer war ebenfalls nicht begabt, hat sich aber in grauer Magie versucht. Mit mir sind das sechs von neun Frauen, die von Colemans Zauber betroffen waren, selbst aber nur über geringe magische Fähigkeiten verfügten oder verfügen, die deutlich unter dem Durchschnitt liegen.«
Falin zog eine Augenbraue hoch. » Ich habe selbst gesehen, wie du Magie gewirkt hast. Deine Fähigkeiten liegen garantiert nicht unter dem Durchschnitt.«
Ich war ziemlich sicher, dass er das als Kompliment meinte. Ein kleines, dummes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Unglücklicherweise hatte er nicht recht.
» Du hast meine Schattenmagie gesehen, meine angeborene Gabe. Was ich meine, sind die Zauber, die jede normale Hexe wirken kann, die ich aber regelmäßig verpatze.«
Er sah mich verwirrt an, und ich zuckte mit den Schultern. » Wie ich sagte, es mag bloßer Zufall sein. Ich meine, wie kommt man ausgerechnet auf die, die ein solches Manko haben?« Ich schloss Michelles Akte. » Aber selbst wenn wir die Verbindung erkennen, wie können wir herausfinden, wer das nächste Opfer sein wird? In dieser Stadt leben Tausende von Menschen.«
Frustriert ballte ich meine Hände zu Fäusten und zerdrückte dabei die Akte. Wir würden Coleman nicht finden. Nicht rechtzeitig. Uns blieben weniger als fünf Stunden, bis der volle Mond zum Blutmond würde.
Falin streckte seine Hand aus. Mist. Ich betrachtete die zerknitterte Akte und unternahm einen halbherzigen Versuch, sie wieder zu glätten, bevor ich sie ihm reichte, denn ich dachte, es wäre die Akte, wonach er griff.
Aber das war es nicht. Er nahm meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Ich spürte das Leder seiner Handschuhe an meiner Haut.
Ich erstarrte. Blickte verwirrt auf meine Hand, die in seiner gefangen war. » Was tust du da?«
Er streckte auch die andere Hand aus und griff mir unters Kinn, sodass ich ihn ansehen musste. » Wir werden ihn finden.« Falin schaute mich eindringlich an, so, als wollte er mir versichern, dass wir allein durch seine Willenskraft Coleman finden würden.
» Äh… ja…« Nie hatte sich mir gegenüber jemand so verhalten. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
» Komme ich zum falschen Zeitpunkt?«, fragte Roy, der sich plötzlich auf dem Rücksitz materialisierte.
Ich schrak zusammen, zog meine Hand aus Falins Griff.
» Roy…«, begann ich und merkte, dass ich ganz atemlos war. Wieso war mir die Brust so eng? Ich versuchte es noch einmal. » Was hast du gesehen? War er da?«
Der Geist schüttelte den Kopf. » Die Wohnung ist blitzsauber. Wie in einem Prospekt. Die Möbel sind noch da, aber sonst befindet sich nichts Persönliches darin. Absolut nichts.«
Ich wiederholte für Falin, was Roy berichtet hatte.
» Coleman hat alles Wichtige mitgenommen. Er hat nicht die Absicht, noch einmal dorthin zurückzukehren«, meinte er und startete den Wagen.
Ich nickte. So sah es aus. Dann nahm ich mir Michelles Akte, die Falin aufs Armaturenbrett geworfen hatte. Nun konnten wir nur noch über Colemans Opfer Hinweise erhalten.
Zum ersten Mal, seit sich meine Gabe bemerkbar gemacht hatte, sprachen die Toten nicht mit mir, gaben sie mir ihre Geheimnisse nicht preis. Doch wir mussten diese Geheimnisse
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