Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
verloren, dass es ihren Tod erklären könnte. Es ist, als habe sie ihren Lebenswillen einfach aufgegeben, als er geschnitten hat. Die letzten drei waren alle so.«
» Emily, Caitlin und Julie?«
Tamara nickte, und ich runzelte die Stirn. Ich wusste, wie Julie gestorben war– die Seele war ihr aus dem Körper gerissen worden. Als würde man eine Auster öffnen. Ich rieb die Kratzer an meiner Schulter. Also hatte Coleman jetzt bereits sechs Seelen. Nur eine fehlte ihm noch. Und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er sie sich während des Blutmondes holen würde.
» Und weißt du, was am allerseltsamsten an diesen Opfern ist?«, fuhr Tamara fort, und was immer sie in dem Körper machte, verursachte ein merkwürdig saugendes Geräusch. Ich zuckte zusammen. » Diese Glyphen. Alles Unsinn. Sie sind kein bisschen magisch.«
» Also glaubst du nicht, dass ein Zauber all diese Frauen getötet hat«, fragte ich, weil sie aufgehört hatte zu reden und ich irgendwie antworten musste. Denn schließlich konnte ich schlecht sagen: » Sorry. Offensichtlich kannst du Feen-Magie nicht erkennen. Ach ja, bei diesem Zauber handelt es sich übrigens um seelenraubende Magie.«
» Ein Tötungszauber würde schwarz erscheinen. Aber davon ist hier nichts zu erkennen. Caitlin hatte übrigens mehr graue Magie in ihren Ketten, Ringen und Armbändern, als ich je gesehen habe, doch das hat sie garantiert nicht umgebracht.«
Nein, hatte es auch nicht, aber… » Caitlin war unbegabt, nicht wahr?«
Tamaras Antwort ging in dem Lärm unter, den die Tür zum Leichenschauhaus verursachte, als sie heftig gegen die Wand schlug. Ich drehte mich um und sah, wie Falin hereinstürmte.
Er blickte mich an. » Lass uns verschwinden«, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte wieder hinaus.
Okay. Scheint so, als sei es beim Chief nicht besonders gut gelaufen.
» Äh… ich muss fort.« Ich sah Tamara an, die wiederum mich besorgt anblickte. Ich zeigte in die Richtung, in die Falin verschwunden war.
» Alex«, rief sie mir hinterher, und ich drehte mich an der Tür noch einmal um. » Pass gut auf dich auf, egal, in welchem Schlamassel du gerade steckst!«
25. Kapitel
R oy passte mich vor der Tür zum Leichenschauhaus ab. » Alex, wo warst du? Ich habe schon die gesamte Totenwelt nach dir abgesucht!«
Natürlich hatte er das. Weil ich einfach so verschwunden war. Weil ich offenbar jedem Rede und Antwort stehen musste, wenn ich mal für vier Tage nicht da war. Selbst den Toten.
Ich setzte ein Lächeln auf, obwohl mir nicht danach war. » Hallo, Roy. Ich hab jetzt echt keine Zeit für dich.«
» Aber du musst etwas unternehmen! Sie reden davon, dass sie meinen Körper für die Beerdigung freigeben.«
Und wie sollte ich das verhindern? » Glaub es oder nicht, ich habe im Moment Wichtigeres zu tun, als mich um einen Körper zu kümmern, der bereits tot ist.«
Roy schob seine Brille ein bisschen höher. » Ich habe zwölf Jahre lang zugucken müssen, wie er in meinem Körper gehaust hat. Zwölf Jahre.« Er unterstrich jedes Wort mit den Händen. » Und nun wollen sie mich unter seinem Namen begraben. Nein. Nein– das lasse ich nicht zu.« Er griff nach mir, packte mich am Handgelenk. » Du musst irgendetwas tun.«
Ich schaute auf seine Finger, die mein Handgelenk umspannten. » Lass mich los.«
Er tat es nicht.
Ich schloss meinen Schild, schloss selbst die letzte kleine Lücke. Roy verblasste nicht, und er wirkte auch nicht weniger solide. Mist. Offensichtlich war ich dem Land der Toten schon viel zu nahe.
Heißt das, dass nur noch ein Teil von mir am Leben ist?
» Roy, ich sage das jetzt nur dieses eine Mal.« Ich sprach leise, beherrscht. Wenn ich jemanden, den niemand außer mir sehen konnte, anschrie, würde ich zu viel Aufmerksamkeit erregen. » Sie werden den Leichnam nicht noch heute Abend freigeben. Aber wenn ich Coleman heute nicht finde, wenn ich ihn nicht vor dem Blutmond aufhalten kann, dann wird er sein Ritual vollenden. Und welchen Albtraum auch immer er damit erschaffen mag, er wird damit das Feenland erobern. Dorthin kann ich ihm nicht folgen, und ich werde sterben. Und wer wird dir dann dabei helfen, deinen Leichnam zurückzubekommen? Na? Wer wird deine Geschichte erzählen?«
Er ließ mich los. » Du willst Coleman an den Kragen?«
» Ja.« Ich wusste, mir war anzusehen, wie genervt ich war, aber es war mir egal. Roy verschwendete meine Zeit. Ich ging zu den Aufzügen. Falin war schon längst verschwunden.
Roy
Weitere Kostenlose Bücher