Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
wir vermissten, war unser Mann vom Morddezernat.
Mein Magen zog sich zusammen, als ich an John dachte. Ich hatte nach der Verhandlung mit Jenson gesprochen. Soweit er wusste, war John immer noch ohne Bewusstsein . Wie viel Blut mag er verloren haben?
Holly lehnte sich vor, als hätte sie gespürt, wie sich meine Stimmung verdüsterte, und stieß mich an. » Ich glaube, wir werden beobachtet.« Mit dem Kopf deutete sie auf jemanden hinter mir.
Es war noch früh am Nachmittag, und die Bar fast leer. Daher war es recht einfach, den Mann zu entdecken, den Holly meinte. Er saß mit dem Rücken zu mir an einem Tisch. Bei der schummrigen Beleuchtung und ohne meine Brille– sie war mir abhandengekommen, als ich die Treppe hinuntergestürzt war– konnte ich allerdings nicht viel von ihm erkennen. Lediglich einen Lichtreflex auf langem blondem Haar.
Ich biss die Zähne zusammen . Warum sollte er …? Ich schüttelte den Kopf. Nein, ganz bestimmt war das nicht Detective Andrews. Er würde sich niemals in ein solches Rattenloch von Bar verirren.
Mac’s war diese Art von Bar, die nur von Stammgästen frequentiert wurde. Sie lag in der State Street, nur ein paar Blocks vom Gericht entfernt, zwischen einem Laden für antiquarische Bücher und einem Künstlercafé. Kein Schild zeigte an, dass hier ein Lokal existierte, es gab lediglich die rote Eingangstür. Wenn Andrews erst vor anderthalb Wochen hierherversetzt worden war, hatte er von Mac’s sicherlich noch nicht einmal gehört.
Dennoch– wie viele Männer in dieser Stadt hatten so hellblondes langes Haar? Ich kniff die Augen zusammen, doch wegen meiner geschwächten Sicht konnte ich keine nützlichen Details erkennen. Nicht dass mich das gestört hätte. Ich wandte mich wieder meinen Freundinnen zu.
» Dann nichts wie ran«, sagte ich zu Holly und trank mein Bier aus.
» O nein!« Tamara knallte die leere Flasche auf den Tisch. » Wenn ich gewusst hätte, dass ihr beide auf Männerfang geht, wäre ich nicht mitgekommen.«
Tamara war die Einzige von uns dreien, die ein Schmuckstück trug, das keinen magischen Zweck erfüllte: einen Ring mit einem beeindruckend großen Diamanten. Zaubersprüche waren ihre Spezialität, und wahrscheinlich würde sie der Versuchung, den Stein für einen Zauber zu nutzen, nicht mehr lange widerstehen können. Doch sie und ihr Verlobter hatten noch immer keinen Hochzeitstermin festgesetzt, und so beherrschte sie sich. Holly und ich hatten allerdings schon Wetten abgeschlossen, wie lange sie es noch aushalten würde, bis sie dem Brillanten eine Zauberwirkung verlieh.
Ich lächelte Tamara an. » Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. » Wir sind einfach nur hier, um auf unseren Erfolg zu trinken.«
» Genau. Und deshalb sollten wir uns noch eine Runde gönnen.«
Holly hob die Hand, und Mac brachte drei weitere Flaschen und noch einen Korb mit Chips und Salsa.
Ich hob meine Flasche. » Auf Amanda und ihre Aussage! Auf die erste Opferstimme vor Gericht– und dass ihr noch viele folgen mögen!«
» Hoffentlich!« Tamara ließ ihre Flasche gegen meine klingen.
Holly stieß ein wenig zögerlicher mit mir an. » Alex, dir ist klar, dass das Zeit braucht. Die Verteidigung wird mit dieser Sache durch alle Instanzen gehen.«
Ja, das war mir klar. Immerhin handelte es sich um den ersten Schuldspruch, der vor allem auf der Aussage eines Schattens beruhte. Irgendwann, in etlichen Jahren, würde dieses Urteil ein Präzedensfall sein, auf den sich voraussichtlich viele Anwälte berufen würden, doch unglücklicherweise wollte mir der Bezirksstaatsanwalt erst dann wieder einen neuen Fall übertragen, wenn höhere Gerichte über diesen entschieden hatten. Was bedeutete, dass ich mir mein Geld auch weiterhin mit privaten Klienten verdienen musste.
Ich seufzte, und wir wechselten das Thema, sprachen über die anderen Fälle, an denen wir gerade arbeiteten. Ich war wohl ein bisschen zu still und nicht so mitteilungsfreudig wie sonst, denn als plötzlich eine Gesprächspause entstand, richteten sich zwei Augenpaare auf mich.
» Hm… Also, ich hatte gehofft, dass du mir bei meinem neuesten Auftrag weiterhelfen könntest«, sagte ich und sah dabei Tamara an. » Ich würde mir Coleman gern einmal genauer ansehen. Meinst du, du kannst das arrangieren?«
» Dafür hänge ich zu sehr an meinem Job. Oh, und wenn das der Grund ist, weshalb du gestern im Leichenschauhaus warst, will ich gar nichts davon wissen.«
Ich hatte die Flasche zum Trinken angehoben,
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