Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
sitzen!«
Ich ließ mich zurücksinken, schob den Rock ein Stück hoch und legte meine Füße auf das Armaturenbrett. Dann fischte ich das Buch mit den Zaubersprüchen aus meinem Stiefel und steckte es in meine Handtasche. Ich begann leise zu zählen, bis ich bei fünfzig angelangt war. Jetzt müsste er eigentlich drinnen sein.
Ich sah mich um, konnte aber nicht viel erkennen. Entweder jetzt oder nie. Ich stieg aus und schloss die Autotür ganz leise. Dann ging ich auf die Lichter am Ende des Parkplatzes zu.
Es brannten genug Laternen, die den Bereich um das Lagerhaus erhellten, doch die Ecken des Gebäudes lagen im Dunkeln. Ich hielt direkt auf das Absperrband zu.
» Alex, Mädchen, sind Sie das?«
Ich wandte mich um, als ich meinen Namen hörte. Ein Mann, ein Cop wahrscheinlich, torkelte auf mich zu. Oder vielleicht torkelte er auch gar nicht. Vielleicht war er einfach nur geschwächt.
Ich starrte ihn zu lange an, während ich versuchte, die kaum erkennbaren Gesichtszüge jemand Bekanntem zuzuordnen.
» Doch, Sie sind es, Alex. Ich hätte Sie kaum wiedererkannt, so herausgeputzt.«
Als ich ihn erneut reden hörte, machte es » klick«. » Detective Jenson. Wie geht es Ihnen?«
Er zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht war unnatürlich blass. Johns Partner war erst knapp fünf Jahre beim Morddezernat, doch seine Augen zeigten bereits diesen resignierten Ausdruck. Niemand glaubte, dass er noch lange in diesem Dezernat bleiben würde.
» Werfen Sie sich neuerdings extra in Schale, wenn Sie zu einem Tatort kommen? Der Ruhm ist Ihnen wohl zu Kopf gestiegen, was?«, meinte Jenson, und ich konnte nicht sagen, ob es nur die Schatten waren, die sein Lächeln wie ein höhnisches Grinsen wirken ließen.
Eigentlich mochte ich Jenson. Ab und zu kam er zu den Dienstagsessen bei John, und normalerweise akzeptierte er die Hilfe, die ich ihm und seinen Kollegen leistete.
Der Wind drehte sich, und der saure Gestank nach Erbrochenem wehte mich an. Ich rümpfte die Nase. » Ziemlich schlimm da drin, nicht wahr?«
Er blickte über die Schulter zum Lagerhaus zurück, das dunkel hinter ihm aufragte. » Gerade eben habe ich Detective Andrews gesehen. Erschlafen Sie sich nun Ihre Aufträge bei der Polizei– jetzt, wo John im Krankenhaus liegt?«
Ich krallte die Finger in meinen Arm, um dem Drang zu widerstehen, ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
» Ich denke nicht, dass es Sie etwas angeht, mit wem ich auszugehen pflege.«
» Ich denke nicht, dass Sie überhaupt mit jemandem ausgehen.« Er beugte sich vor.
Den ekligen Geruch hatte nicht der Wind herbeigetragen, er kam von Jenson. Was auch immer er drinnen im Lagerhaus gesehen haben mochte, war sicher kein schöner Anblick gewesen. Doch ich hatte nicht vor, mich zu seiner Ablenkung von ihm beleidigen zu lassen.
Ich trat zurück. » Gute Nacht, Detective.« Ohne mich noch einmal umzudrehen, ging ich davon. Arschloch – wie kommt der dazu, mich …
Ich schüttelte den Kopf. Mir bereiteten ganz andere Dinge Sorgen, da musste ich nicht auch noch über Jenson nachdenken. Erst einmal musste ich mich vergewissern, ob dies tatsächlich jenes Lagerhaus war. Dabei wusste ich es doch bereits. Die Klauen der Furcht hatten sich tief in meine Haut geschlagen. Das war dasselbe Lagerhaus, in das Roy mich mitgenommen hatte. Und ich wusste auch, dass das, was sich darin befand, noch viel schlimmer war, als Jenson es sich vorstellen konnte.
Ich stolperte zur Rückseite des Lagerhauses. Eine Laterne summte in der schwülen Luft und warf ihren Schein auf drei geschlossene Verladetore– am mittleren war ein Blech weggebogen.
Ich hatte mir fest vorgenommen zurückzugehen, sobald ich bestätigt fand, dass es sich tatsächlich um dieses Lagerhaus handelte. Wirklich. Ich hatte bereits einmal den magischen Nachhall von dem gespürt, was dort drin passiert war, und das reichte mir vollkommen. Ich musste nicht auch noch sehen, was jetzt darin geschehen war. Doch vor dem mittleren Tor bemerkte ich drei Gestalten, so deutlich, als stünden sie in hellem Sonnenlicht. Eine davon war der Tod.
Da ich den Cop, der zwischen den dreien und mir stand, nur schattenhaft erkennen konnte, wusste ich, dass ich den Tod und seine beiden Begleiter auf einer anderen Bewusstseinsebene sah. Was bedeutete, dass sie alle Seelensammler waren. Der Tod war der einzige Seelensammler, den ich bisher erblickt hatte. Und ich hatte noch nie davon gehört, dass eine Schattenhexe mit mehr als einem Seelensammler zur selben Zeit
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