Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
Und dann warf ich meine Kraft in ihren Körper. In ihr kämpften das Leben und der Tod gegeneinander, und es war nicht das Leben, das gewinnen würde. Ich wünschte, meine Macht könnte ihren Körper heilen, ihre Seele, doch ich vermochte es nicht. Meine Gabe gehörte dem Grab.
Ich konnte spüren, wie der Zauber, der über ihrem Körper lag, sich auch in meine Haut grub. Ein eisiger, schneidender Zauber. Schmerz stach durch meine Schulter, und ich wusste, dass der andere Zauber, der, der meine Seele aufzehrte, wuchs und mich gierig verschlingen wollte. Ich wich zurück, begann, meine Kraft zurückzuziehen.
Und dann spürte ich ihre Seele.
Inmitten all der Dunkelheit und des Bösen erschien ihre Seele warm und hell. Wie eine Motte, die vom Licht angezogen wird, griff meine Kraft nach ihr. Aber Seelen und das Grab vertragen sich nicht. Die Seele, bereits geschwächt von ihrem Kampf gegen den Zauber, zog sich weiter zurück, versteckte sich.
Ich ließ alle Macht, über die ich verfügte, in ihren Körper fließen. Mein eigener Körper wurde eiskalt, doch ich achtete nicht darauf. Ich besaß keine Wärme mehr, keine Lebenskraft, die ich ihr geben konnte, und so erfüllte ich sie mit Grabeskälte. Meine Kraft folgte ihr, als sie dorthin floh, wo ihre Erinnerungen saßen, und ich fand einen missgestalteten, zerrissenen Schatten. Genau wie bei Bethany. Und auch dort breitete ich meine Kraft aus; noch weiter zog die Seele sich zurück, doch ich ließ sie nicht entkommen.
Der Zauber war schwerfällig und methodisch. Ich war es nicht. Meine Macht war flink, schoss weiter vor, wich der Berührung des Zaubers aus, während sie gleichzeitig der Seele folgte. Ich drang in das Zentrum ihres Wesens vor, füllte es aus, mit jeder Unze meiner Macht.
Endlich wich die Seele aus dem Körper. Erschöpft sank ich zusammen, fiel auf meine Knie. Sie schwebte über mir, schimmerte in einem schwachen blauen Glanz. Und sie schrie, gewann Stärke aus meiner Kraft. Ich hatte nie verstanden, wie Geister entstanden, doch nun sah ich einen vor mir. Einen Geist, der wahnsinnig geworden war.
Der Geist kreischte, schlug nach dem grauen Mann. Denn der Zauber war noch nicht verschwunden, war vom Leichnam auf die Geistergestalt übergegangen. Die Glyphen, die sie zeichneten, waren zu schwarzen Flecken geworden, umgeben von dicken, sich windenden Ranken. Wie die Kratzer. Bei diesem Zauber jedoch konnte ich zusehen, wie er wuchs, und er wuchs schnell.
Der graue Mann streckte die Hand aus, seine Finger schlossen sich um einen der dunklen Flecken. Er zog daran. Der Geist schrie lauter, zerrte an seinem Arm. Unbeirrt zog der Graue weiter, riss die Glyphe heraus, mit all den Wurzeln, die sie geschlagen hatte, und als sie frei war, löste sie sich auf. Der graue Mann griff nach einem weiteren der dunklen Symbole, und der Tod tat es ihm gleich.
Nun, da mich keiner der beiden mehr gegen die Magie des Kreises schützte, kamen die widerwärtigen Fäden erneut näher. Zeit, mich davonzumachen. Ich stemmte mich mühsam hoch. Meine Knie gaben unter mir nach, ich stolperte, wäre fast gefallen. Mühsam das Gleichgewicht wahrend, wagte ich einen weiteren Schritt, und diesmal klappte es schon besser. Einer der dunklen Fäden kam mir ziemlich nahe, und ich taumelte aus dem Kreis.
Ich blieb erst stehen, als ich die gegenüberliegende Wand erreicht hatte, und lehnte mich dagegen. Langsam rutschte ich an der Mauer hinunter, zog meine zitternden Knie an die Brust. Der Tod und der graue Mann befanden sich immer noch im Kreis, immer noch zogen sie an den dunklen Zeichen, doch sie hatten ihr Werk fast beendet. Mit jeder Glyphe, die sie zerstörten, wurde der Geist heller und solider.
Und dennoch hörte er nicht auf zu schreien.
Einige der Cops waren auf die Knie gesunken, hielten sich mit den Händen die Ohren zu. Einer war in Ohnmacht gefallen. Zwei hielten immer noch ihre Waffen in der Hand, doch sie starrten den Geist an.
Falin, dort drüben am anderen Ende des Raums, war der Einzige, der zu mir herüberblickte. Meine Fähigkeit zu sehen ließ nach, auch meine Schattensicht schwand, sodass ich nur noch das flackernde Silber der Seele unter seiner Haut erkennen konnte. Doch ich brauchte ihn gar nicht zu sehen, um zu wissen, dass er wütend war.
Der Tod zog die letzte Glyphe weg. Der graue Mann hob grüßend seinen Stock, dann ließ er seine Hand in den Geist sinken. Und immer noch schrie die Seele. Erst, als er mitsamt dem Geist verschwunden war, trat Stille ein.
Weitere Kostenlose Bücher