Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
Die Cops erwachten aus ihrer Schreckensstarre.
» Stehen bleiben!«, brüllte einer, als der Tod sich zu mir umdrehte und mich anlächelte.
Da hatte der zweite schon geschossen.
Ich wollte aufspringen, doch meine Beine gehorchten mir nicht, und ich fiel zurück gegen die Wand. Der Atem wich aus meiner Brust, und ich blinzelte. Meine Sicht verdunkelte sich immer mehr, doch ich konnte den Tod noch erkennen. Er wirkte verdutzt, hielt eine Hand auf den Bauch gedrückt. Wie in Zeitlupe sah ich, dass er die Hand wegnahm und sie voller Blut war.
» Nein!« Ich wollte dieses » Nein« herausschreien, aber meine Stimme hatte keine Kraft. Die Cops riefen alle durcheinander, doch in meinem Kopf wurde ihr Geschrei zu einem wirren Summen, als der Tod auf die Knie sank.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper überhaupt nicht mehr zu mir gehörte, Und ich brauchte drei Anläufe, bis ich endlich stand. Ich konnte kaum atmen, hatte kaum noch Kraft, doch ich musste es unbedingt bis zum Tod schaffen. Er kann nicht sterben. Er ist doch der Tod!
Ein Schatten tauchte in der Tür neben mir auf. » Verdammt! Dass die Jungs aber auch nie was auf die Reihe kriegen!«
Das Raver-Girl schaute mich an. » Schätze, das ist deine Schuld«, sagte sie.
Ich sah zu ihr hin– zu mehr reichte es nicht. Ich hatte keine Magie mehr, keine Kraft.
Die Locken des Raver-Girls flogen, als sie den Kopf schüttelte. Dann marschierte sie quer durch den Raum zum Tod hinüber und legte einen seiner Arme über ihre Schultern. Halb trug sie ihn aus dem Kreis, halb zerrte sie ihn.
Irgendwo hinter ihr fiel eine Pistole klappernd zu Boden.
» Komm mit!« Sie packte mich am Arm und zog mich, während sie den Tod immer noch trug, in den staubigen Nebenraum mit all den herumstehenden Kisten. Ich stolperte neben ihr her.
» Also, jetzt mach schon!«, sagte sie und lehnte mich gegen die Wand. Hier waren wir zumindest vorübergehend ungestört.
» Äh… was?«
» Ihr habt eure Lebensessenz getauscht. Hol deine zurück.« Sie schob den Tod näher an mich heran.
Ich streckte eine Hand aus und strich ihm das dunkle Haar hinters Ohr. Das hatte ich schon immer einmal tun wollen, mich aber nie getraut. Sanft streichelte ich über seine Wange, und seine Haut fühlte sich sengend heiß unter meinen Fingern an.
Seine dunklen Augen öffneten sich, und er schaute mich an. » Tut mir leid, Alex!«
Ich hätte fast gelacht. Auf ihn war geschossen worden, und er entschuldigte sich? Ich schüttelte den Kopf.
Er nahm meine Hand, legte sie auf seine Wange. » Du zitterst ja.«
Ich blinzelte die Tränen weg, die meine Augen füllten. » Mach dir mal keine Sorgen um mich.«
» Jetzt trödle nicht herum!«, fuhr das Raver-Girl mich an.
Ich nickte. Auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte, was ich tun sollte. Doch das hatte ich auch vorhin bei der Seele nicht gewusst. Ich konnte nur hoffen, dass mein Glück noch ein bisschen länger anhielt.
Ich hatte keine Energie mehr, mit der ich nach dem Tod hätte greifen können. Doch es zeigte sich, dass ich sie auch gar nicht brauchte. Ich öffnete mich einfach, öffnete meine Sinne. Und so, wie es geschah, wenn ich einen Schatten zurück in seinen Körper schickte, floss auch jetzt meine Wärme, meine Lebensessenz in mich zurück, erfüllte meinen Körper.
Und dann kam der Schmerz.
Die Welt um mich herum versank in Rot. Der Schmerz war überall. Ich starb. Ich konnte spüren, wie jede einzelne Zelle in meinem Körper abstarb, verdorrte.
Starke Arme hielten mich fest, und jetzt erst merkte ich, dass ich zitterte. Nein, von Krämpfen geschüttelt werde.
» Das geht vorbei«, flüsterte der Tod und strich mir übers Haar. » Das geht vorbei.«
Er bettete mich auf den Boden, und dort lag ich, nach Luft ringend. Der Schmerz war vergangen, doch ich fühlte immer noch, wie mein Körper zerfiel.
Ich sterbe.
Ich musste den Gedanken laut ausgesprochen haben, denn der Tod schüttelte den Kopf.
» Du bist sterblich. Du stirbst schon seit deiner Geburt.«
» Wir müssen gehen«, sagte das Raver-Girl.
Der Tod blickte über seine Schulter hinweg zu ihr hin. » Vorher muss ich noch etwas erledigen«, erwiderte er. Dann wandte er sich wieder mir zu und strich mir sanft die Locken zurück, die mir ins Gesicht gefallen waren. Seine Finger versengten mich zwar nicht mehr, doch sie waren immer noch warm.
Immerhin konnte ich noch klar genug denken, um zu erkennen, dass es kein gutes Zeichen war, wenn der Tod sich für mich warm
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