Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
E-Mail-Account gewählt, und ich stöhnte auf, als ich die Anzahl der ungelesenen Mails im Posteingang sah. Ich ging die neuen Mails durch und löschte sie dabei. Wie ich es erwartet hatte, stammten sie alle von der Presse.
Nur eine nicht.
Ich öffnete sie. Sie kam von einem jungen Paar, und die Frau bat mich, die Schatten ihrer Eltern zu beschwören. Ich las weiter. Offensichtlich hatte sich der Kinderwunsch der beiden bis jetzt nicht erfüllt. Da sie bereits einen Termin bei einem Spezialisten für künstliche Befruchtung hatten, wollte die junge Frau ihre Eltern befragen, ob es in ihrer Familie schon einmal derartige Probleme gegeben hatte. Sie wusste es nicht, da beide bei einem Unfall gestorben waren, als sie noch ein Kind war.
Ich hatte neue Kunden! Und es hörte sich auch noch so an, als sei es ein unkomplizierter Fall. Dann aber runzelte ich die Stirn. Eigentlich hatte ich im Moment gar keine Zeit für einen neuen Auftrag, aber ich konnte auch nicht einfach aufhören zu arbeiten. Mit der Miete war ich bereits spät dran, ich hatte kein Auto mehr und nur noch zwölf Dollar. Allerdings würde all dass keine Rolle mehr spielen, wenn ich Coleman nicht fand.
Ich verdrängte diesen Gedanken und schaute nach, von wann die Nachricht stammte. Sie war bereits vor zwei Tagen eingegangen. Ich schrieb eine kurze Antwort, hängte meinen Standardvertrag an, in den ich allerdings schnell noch eine Änderung einfügte: Die Hälfte des Honorars war im Voraus zu zahlen– ich hatte schlicht und einfach keine Lust mehr, mich immer wieder um mein Honorar streiten zu müssen.
Dann schickte ich die Antwort ab und verbrachte die nächste Stunde damit, Artikel über Bartholomew zu lesen. Falin hatte recht: Der stellvertretende Gouverneur war ein Hitzkopf und trat gern in sämtliche Fettnäpfchen. Nachdem ich alle Geschichten über seine Ausbrüche im Senat und seine Meinung über dieses und jenes Gesetz kannte, war das Ergebnis jedoch nur, dass mir die Buchstaben vor den Augen verschwammen.
Ich lehnte mich zurück und streckte mich. Meine Wirbel knackten, und PC schaute auf.
» Ich denke, wir haben schon zu lange hiergesessen.«
Offensichtlich war PC anderer Ansicht, denn er legte den Kopf wieder auf die Pfoten und schloss die Augen. Ich kraulte ihn hinter den Ohren und ging auf die Seite mit meinen Verdächtigen zurück, auf der nun eine Menge nutzloser Informationen unter Bartholomews Namen zu finden waren.
Wenn Coleman tatsächlich die Energie der Seelen stahl, dann musste er diese Energie irgendwo aufbewahren. In irgendetwas, was eine große Menge magischer Kraft aufnehmen konnte. Ein Edelstein etwa, Obsidian oder Silber. Nein, kein Edelstein. Nicht bei so vielen Seelen. Es musste etwas Großes sein. Im Lagerhaus hatte ich nichts entdeckt, was so viel Energie speichern konnte, also musste es sich im Haus oder im Büro des Mannes befinden, dessen Körper Coleman sich angeeignet hatte.
Okay, dann stand nun also ein Einbruch im Haus oder im Büro des stellvertretenden Gouverneurs auf dem Programm. Na super. Wenn’s weiter nichts ist! Ich beugte mich vor und legte mein Kinn auf die verschränkten Hände. Der Gouverneurspalast war zumindest in Teilen ein öffentlich zugängliches Gebäude, der Verwaltungsbereich natürlich nicht. Dort gab es auch entsprechend mehr Sicherheitsvorkehrungen. Allerdings konnte man mit Magie durchaus auch Hightech austricksen. Schließlich kannte ich eine Hexe, die hervorragende Zauber ersann.
Bevor ich aus dem Internet ging, schaute ich noch einmal in meinem Posteingang nach. Und tatsächlich hatte ich eine neue Nachricht. Das Paar hatte bereits geantwortet.
Ich öffnete die Nachricht. Die Frau hatte meinen Vertrag unterschrieben, eingescannt und zurückgeschickt. Ihr Termin in der Klinik war früh am Montagmorgen, deshalb stand sie unter Zeitdruck. Sie schrieb, dass sie an diesem Tag bis sechs Uhr arbeiten müsse, und wollte wissen, ob wir uns um halb sieben am Sleepy-Knoll-Friedhof treffen könnten.
Ich biss mir auf die Unterlippe und schaute auf die Uhr. Es war jetzt Viertel vor eins, und wenn ich mich noch in den Gouverneurspalast einschleichen wollte, dann hatte ich einen geschäftigen Nachmittag vor mir. Aber eigentlich müsste der Termin am Friedhof zu schaffen sein. Und wie lange konnte es schon dauern, diese medizinische Familiengeschichte aufzurollen? Eine halbe Stunde? Eine Stunde? Es wäre leicht verdientes Geld. Solange ich hinterher nicht wieder für allzu lange Zeit meine
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