Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
obduzieren, die man heute Morgen tot in ihrer Wohnung gefunden hat. Ich dachte, wir sollten mit Tamara zusammen zu Mittag essen, damit wir sie ein bisschen aufmuntern können.«
Ich runzelte die Stirn und spürte, wie mich das Gefühl drohenden Unheils packte. » Hat sie gesagt, wer die Tote ist?«
» Ja: Sally.« Sie schwieg einen Moment. » Oh, du hast sie sicher auch gekannt. Es tut mir so leid.« Sie legte einen Arm um meine Schultern, ließ mich aber schnell wieder los. » Alex, bist du okay? Du bist eiskalt.«
Ich nickte, war aber mit meinen Gedanken ganz woanders. Ich war müde. Hinter mir lagen ein paar harte Tage, und in der vergangenen Nacht hatte ich kaum geschlafen. Vor allem aber beunruhigte mich das, was Tamara mir erzählt hatte: dass Sally sich am vergangenen Morgen nicht wohl fühlte, als ihre Nachtschicht endete. Eine Nachtschicht, in der Helenas Leichnam ins Leichenschauhaus gebracht worden war. Das hieß nicht unbedingt, dass es einen Zusammenhang gab, aber…
» Hat Tamara erzählt, woran Sally gestorben ist?«
» Das weiß man noch nicht.« Holly kniff die Lippen zusammen. » Wie ist es: Treffen wir uns gegen Mittag zum Lunch? Ich lade euch ein?«
Ich wollte schon nicken, doch dann fiel mir ein, dass ich ja mit Ashen zum Lunch verabredet war. » Können wir ein vorgezogenes Dinner draus machen? Ich habe heute Mittag schon was vor.«
» Echt?«
Also, so schockiert hätte sie nun auch wieder nicht klingen müssen!
Holly schaute schnell wieder zu Falin hin. Dann nickte sie. » Ja, ein frühes Abendessen geht auch. Dann haben wir mehr Zeit zu reden, und jeder kann ein paar Tränen über seinem Bier vergießen. Also sehen wir uns gegen vier, ja?«
Wie verabschiedeten uns, und ich schloss die Tür hinter ihr. Unwillkürlich rieb ich mir die Schulter. Ich war mit einem seelenverzehrenden Zauber angesteckt worden, von einem Schatten, der daran gestorben war. Und nun hatte Sally, ebenfalls eine Hexe, ein weiteres Opfer obduziert – und war tot. Aber warum ist sie tot, während ich noch lebe? Ich hatte mich an diesem Morgen auf der ätherischen Ebene überprüft. Die schwarzen Ranken umklammerten inzwischen meinen ganzen Arm bis hinab zum Handgelenk und wanden sich bereits über meinen halben Körper. Der Zauber breitete sich aus, aber nicht schnell genug, um mich an einem einzigen Tag umzubringen.
Ich muss ihren Körper sehen.
Ich wandte mich um und sah, dass Falin mich beobachtete.
» Ich finde nicht, dass du gehen solltest«, sagte er von der Küche her.
Ich blinzelte. Ich war so in meine Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht gleich begriff, worauf er sich bezog. Er denkt, dass ich nicht gehen soll? Wohin – zu Tamara? Nun ja, so viel dazu, dass er Holly und mir nicht zugehört hatte.
» Erstens ist das nicht dein Bier. Zweitens, warum sollte ich mich nicht mit Tamara treffen? Ich kann mich doch nicht für den Rest meines Lebens in meiner Wohnung verstecken!« Und wenn ich Coleman nicht fand, dann würde der Rest meines Lebens noch viel kürzer sein, als ich gedacht hatte.
Falin sah mich stirnrunzelnd an. Er stand gegen den Tresen gelehnt, die Hände auf die Spüle gestützt. Irgendwo hatte er gelbe Gummihandschuhe gefunden, und ich hätte es sicher komisch gefunden– wenn ich nicht so abgelenkt gewesen wäre, weil das Sonnenlicht auf irritierende Weise über seine breite Brust spielte.
» Ich meinte den Lunch im ›Eternal Bloom‹.«
» Ach so.« Hm, irgendwie merkwürdig war das schon: Hier stand ich und starrte ihn an, während wir über meine Verabredung mit einem anderen Mann sprachen. » Ist auch nicht dein Bier.«
» Es ist zu gefährlich«, sagte er, und ich verspürte eine gewisse Enttäuschung darüber, dass er mich nur deshalb nicht dorthin gehen lassen wollte, weil es zu gefährlich war.
Bild dir nichts ein, Alex. Falin war lediglich ein Gast, der sich selbst in meine Wohnung eingeladen hatte. Und in eine Feen-Bar zu gehen war gefährlich. Die Feenwesen auf dem Friedhof hatten zwar nicht versucht, mich zu verletzen, sondern mir lediglich eine rätselhafte Botschaft überbracht und mir geraten wegzulaufen. Die Elfen in dem weißen Van jedoch hatten nichts Nettes mit mir im Sinn.
Andererseits war es manchmal gar nicht so falsch, sich quasi in aller Öffentlichkeit zu verstecken. Und schließlich würde ich auch nicht allein dort sein. Ashen war bei mir. Wenn ich Glück hatte, dann hatte er bei seinen Recherchen etwas Nützliches über die Glyphen auf Colemans
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