Vom Umtausch ausgeschlossen
Forschungsreisende vor, die seltenes Kunsthandwerk eingeborener südamerikanischer Kulturen in Oxshott präsentiert! Ich meine, wie viele Menschen in Großbritannien haben eine solche Maske wohl schon mal gesehen? Eine Hand voll vielleicht. Ich bin sicher, dass ein jedes Museum dankbar sein würde, wenn sie sie als Leihgabe für eine Ausstellung oder so haben dürften!
»Du meine Güte!« Mum dreht die Maske leicht nervös um. »Was ist das denn?«
»Das ist eine traditionelle Ritusmaske von den Chiriguano-Indianern, stimmt‘s?«, meldet Janice sich zu Wort.
»Warst du schon mal in Paraguay, Janice?«, frage ich vollkommen überrumpelt.
»Ach was.« Sie trinkt einen Schluck Kaffee. »Die habe ich bei John Lewis gesehen.«
Mir verschlägt es glattweg die Sprache.
»Du hast sie bei... John Lewis gesehen?«, frage ich schließlich.
»Ja, in Kingston. Das Geschenke-Kaufhaus.« Sie strahlt mich an. »Bei John Lewis kann man heutzutage wirklich alles kriegen!«
»Günstig - günstiger - John Lewis!«, rezitiert Mum sogleich.
Das glaube ich nicht. Ich habe diese Maske schätzungsweise zehntausend Kilometer um die Welt geschleppt. Diese Maske sollte eine seltene, exotische Kostbarkeit sein. Und während ich sie mit mir herumschleppe, kann man sie die ganze verdammte Zeit in aller Gemütsruhe bei dem blöden John Lewis in London kaufen!!
Mum sieht, was ich für ein Gesicht mache.
»Aber diese hier ist natürlich etwas ganz Besonderes, Liebes!«, beeilt sie sich zu sagen. »Wir stellen sie auf den Kaminsims direkt neben Dads Golftrophäe!«
»Okay«, sage ich leicht bedrückt. Ich sehe zu Dad, der immer noch aus dem Fenster starrt und kein Wort mitbekommt. Vielleicht sollte ich ihm sein Geschenk lieber später geben.
»Und, was ist hier so alles passiert?«, frage ich und nehme Mum die Tasse Kaffee ab, die sie mir reicht. »Wie geht es Martin? Wie geht‘s Tom?«
»Beiden geht es sehr gut, danke!«, antwortet Janice. »Tom wohnt gerade für eine Weile bei uns.«
»Ah.« Ich nicke verständnisvoll.
Tom ist Janices und Martins Sohn, und leider hat er gerade ein ziemliches Ehedesaster hinter sich. Seine Frau Lucy hat ihn verlassen, und zwar im Prinzip aus dem Grund, weil er sich kein Tattoo machen lassen wollte, das zu ihrem passte.
»Sie haben das Haus verkauft.« Janice sagt das mit einer gewissen Wehmut. »Aber zu einem ziemlich guten Preis.« Und geht‘s ihm gut?«
Mum und Janice wechseln Blicke.
»Er stürzt sich in seine Hobbys«, erklärt Janice schließlich. »Versucht, sich zu beschäftigen. Seine neueste Leidenschaft gilt der Arbeit mit Holz. Er hat schon alles Mögliche für uns gemacht!» Sie wirkt leicht gequält. »Drei Gartenbänke, zwei Vogelhäuser... Und jetzt arbeitet er gerade an einer zweigeschossigen Gartenlaube!«
»Wow!«, bemerke ich höflich. »Das ist ja toll!«
In dem Moment fangt Mums Ofenuhr an zu klingeln, und ich sehe überrascht auf. Hat Mum während unserer Abwesenheit etwa angefangen zu backen?
»Hast du was im Ofen?«, frage ich, obwohl dieser so kalt aussieht wie eh und je.
»Nein, nein!« Mum lacht schrill auf. »Die Uhr habe ich bloß gestellt, damit ich e-Bay nicht vergesse!«
»e-Bay?« Ich fasse es nicht. »Wie, e-Bay?«
Wie sollte Mum überhaupt wissen, was e-Bay ist? Sie weiß ja noch nicht mal, wie man einen Computer einschaltet. Vor zwei Jahren habe ich ihr mal vorgeschlagen, Luke zu Weihnachten ein neues Maus-Pad zu schenken, und da ist sie dann prompt in die Tierhandlung gelaufen.
»Na, e-Bay, Liebes! Internet-Shopping. Ich biete gerade für einen Ken-Hom-Wok, ein paar Kerzenständer...« Sie zaubert ein geblümtes Notizheft aus der Tasche und sieht darin nach. »Ach ja, und eine Heckenschere für Dad. Nur einmal gebraucht!«
»e-Bay ist einfach großartig!«, fällt Janice in den Lobgesang ein. »Und macht solchen Spaß! Hast du schon mal was über e-Bay gekauft, Becky?«
»Ahm... nein.«
»Ach, das wäre wirklich was für dich, Liebes!«, meint Mum, »Obwohl ich ja gestern Abend einfach nicht durchkam, als ich nach meinen Portmeirion-Tellern sehen wollte.« Sie schnalzt mit der Zunge. »Keine Ahnung, was da los war.«
»Wahrscheinlich waren die Domain-Server überlastet«, mutmaßt Janice kenntnisreich. »Ich habe die ganze letzte Woche Probleme mit meinem Modem gehabt. Kekse, Becky?«
Ich kriege das einfach nicht in meinen Kopf. Mum? e-Bay? Was erzählt sie mir als Nächstes? Dass sie bei Tomb Raider schon auf Level sechs ist?
»Aber du hast doch
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