Vom Umtausch ausgeschlossen
nicht irgendwo einen blöden, abgestandenen Kaffee zu trinken.
Untröstlich gehe ich die paar Schritte zur Pforte und lehne mich an das schmiedeeiserne Gartentor. Ich fummele an dem kaputten Riegel herum, den Dad schon seit über zwanzig Jahren reparieren will, und sehe mir die Rosen an, die Mum und Dad letztes Jahr zu unserer Hochzeit haben pflanzen lassen. Mann, wir sind schon fast ein Jahr verheiratet. Unglaublich.
Dann höre ich plötzlich entfernte Stimmen. Ich recke den Hals und blicke die Straße hinunter. Dort sind gerade zwei Gestalten um die Ecke gebogen. Ich strenge meine Augen an - und dann erkenne ich sie!
Da sind sie! Mum und Dad! Kommen die Straße entlanggelaufen. Mum in einem bedruckten Kleid und Dad in einem pinkfarbenen, kurzärmeligen Hemd, und sie sehen beide richtig gesund aus und haben Farbe!
»Mum!«, quieke ich, dass es nur so über den Asphalt hallt. »Dad!« Ich breite die Arme aus. »Wir sind wieder da!«
Mum und Dad sehen auf und bleiben wie angewurzelt stehen. Erst da fällt mir auf, dass sie noch jemanden bei sich haben. Eine Frau. Oder ein Mädchen. Kann ich nicht genau erkennen, die Sonne blendet so.
»Mum!«, rufe ich noch einmal. »Dad!«
Doch die beiden rühren sich nicht vom Fleck. Komisch. Vielleicht sind sie einfach wie vom Donner gerührt, mich zu sehen. Vielleicht halten sie mich für einen Geist.
»Ich bin wieder da!«, schreie ich. »Ich bin‘s, Becky! Überraschung!«
Es entsteht eine seltsame Pause.
Und dann drehen sich Mum und Dad zu meinem blanken Entsetzen um.
Was ... Was machen sie denn bloß?
Vollkommen verwirrt sehe ich ihnen nach.
Irgendwie ist die Situation schon so, wie ich mir unser Wiedersehen vorgestellt hatte - nur umgekehrt. Meine Eltern sollten eigentlich auf mich zulaufen.
Sie verschwinden wieder um die Ecke. Die Straße liegt still und verlassen vor mir. Eine Weile bin ich einfach viel zu verdutzt, als dass ich etwas sagen könnte.
»Luke, waren das Mum und Dad?«, frage ich schließlich.
»Ich glaube schon.« Luke sieht genauso verwirrt aus wie ich.
»Und haben sie sich eben wirklich... umgedreht und sind wieder weggegangen, als sie mich gesehen haben?«
Ich muss gestehen, ich bin verletzt. Meine eigenen Eltern rennen vor mir weg, als hätte ich die Beulenpest!
»Nein! « sagt Luke schnell. »Natürlich nicht. Sie haben dich bestimmt nicht erkannt. Guck!« Er zeigt in die Richtung, in der wir sie gerade vorher gesehen hatten. »Da sind sie wieder. «
Und wirklich, Mum und Dad sind wieder um die Ecke gebogen, dieses Mal allerdings ohne die junge Frau. Sie gehen ein paar Schritte, dann packt Dad Mum am Arm und zeigt auf mich.
»Da ist Becky!«, ruft er. »Guck doch!«
»Becky!«, ruft Mum reichlich gestelzt. »Das kann doch nicht wahr sein!«
Sie klingt genauso wie seinerzeit, als die hiesige Laienspielgruppe ein Agatha-Christie-Stück aufführte, und sie die Dame spielte, die die Leiche entdeckte.
»Becky! Luke!«, ruft Dad.
Jetzt rennen sie endlich auf uns zu, und ich atme vor Erleichterung auf.
»Mum!«, rufe ich. »Dad! Wir sind wieder da!«
Mit ausgebreiteten Armen rase ich auf sie zu. Ich falle Dad um den Hals, dann spüre ich Mums Arme um mich. Wir verknoten uns förmlich in einer gemeinsamen, multiplen Umarmung.
»Ihr seid wieder da!«, freut Dad sich. »Herzlich willkommen, mein Schatz!«
»Ist alles in Ordnung?« Mum sieht mich besorgt an. »Geht es euch gut?«
»Uns geht‘s prima! Wir haben einfach nur beschlossen, wieder nach Hause zu kommen! Wir wollten euch alle wiedersehen!« Ich drücke Mum an mich. »Wir wussten doch, dass ihr uns vermisst.«
Zu dritt gehen wir zurück zum Haus, wo Dad Luke die Hand gibt und Mum ihn herzlich umarmt.
»Ich traue meinen Augen nicht«, sagt sie und lässt den Blick von Luke zu mir wandern. »Das gibt‘s doch gar nicht! Deine Haare, Luke! Die sind ja so lang- «
»Ich weiß.« Luke grinst mich an. »Aber sie kommen ab, bevor ich wieder anfange zu arbeiten.«
Ich bin viel zu aufgedreht, als dass ich das jetzt mit ihm diskutieren möchte. So hatte ich mir das Wiedersehen vorgestellt. Alle sind glücklich und zufrieden.
»Kommt doch rein, dann mache ich uns einen Kaffee!« Mum holt die Haustürschlüssel raus.
»Wir wollen aber keinen Kaffee!«, wehrt Dad sich prompt. »Wir wollen Sekt! Wir haben ja wohl allen Grund zu feiern!«
»Vielleicht möchten die beiden aber gar keinen Sekt!«, hält Mum dagegen. »Vielleicht haben sie ja einen Jetlag. Hast du einen Jetlag, Liebes?
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