Vom Umtausch ausgeschlossen
schlangenförmige Narbe kurz unter Jess‘ Knie und will eigentlich gerade fragen, wo sie die her hat. Aber da fällt ihr auf, wo ich hingucke, und sie wird rot. Vielleicht ist sie empfindlich. Ich sage mal besser nichts.
»Brauchst du denn gar keine Gewichte?«
»Habe ich.« Sie greift in ihren Rucksack und holt zwei mit Sand gefüllte alte Wasserflaschen heraus.
Das sind ihre Gewichte?
»Von Fitnessstudios halte ich mich schön fern«, erklärt sie und stemmt die Flaschen über den Kopf. »Totale Geldverschwendung. Die Hälfte der Leute, die Mitglied in so einem Studio sind, geht sowieso nie zum Training. Kaufen sich teure Sportklamotten und ziehen sie nie an. Ist ja wohl der totale Schwachsinn.«
»Ja, klar«, sage ich schnell. »Ganz meine Meinung.«
Jess pausiert, um ihre Gewichte besser zu umfassen. Dann fällt ihr Blick auf etwas hinten an meiner Leggings.
»Was ist denn das?«
»Äh...«Ich fasse nach hinten.
Mist. Das Preisschild hängt raus.
»Äh... nichts!« Blitzschnell stecke ich es in den Hosenbund. »Ich hole nur eben... ein paar Gewichte für mich.«
Als ich mit zwei Flaschen Evian aus der Küche wiederkomme, bin ich doch etwas beunruhigt. Das hatte ich mir anders vorgestellt. Ich dachte, wir würden locker auf zwei nebeneinander stehenden Laufbändern zu eingängiger Musik joggen, während unsere Haare in der Studiobeleuchtung glänzen.
Na gut. Egal.
»Na, dann... mache ich dir einfach alles nach, ja?« Ich lege mich neben Jess auf den Teppich.
»Ich tue jetzt ein bisschen was für den Bizeps«, erklärt Jess. »Ist ganz einfach.« Sie fangt an, die Arme zu heben und wieder zu senken, und ich mache es ihr nach. Mann, Jess hat aber ein ganz schönes Tempo drauf, oder?
»Soll ich Musik anmachen?«, frage ich nach wenigen Sekunden.
»Ich brauche keine Musik.«
»Nein, nein. Ich auch nicht«, beeile ich mich zu sagen.
Jetzt tun mir aber langsam die Arme weh. Das kann doch nicht gesund sein. Ich sehe zu Jess, die fröhlich weiter den Bizeps stählt. Ich lehne mich nach vorne und tue, als würde ich mir die Schuhe binden. Dann fällt mir etwas ein.
»Bin gleich zurück«, sage ich und sause wieder in die Küche. Wenige Augenblicke später komme ich mit zwei schlanken silberfarbenen Flaschen in der Hand zurück.
»Hier, das ist ein Fitnessdrink.« Ich reiche Jess die eine Flasche. »Damit der Mineralienhaushalt wiederhergestellt wird.«
»Damit was? Jess runzelt die Stirn und legt ihre Gewichte neben sich.
»Steht drauf, guck. Enthält eine einzigartige Zusammenstellung von leistungssteigernden Vitaminen und Kräutern.«
Jess liest das Etikett.
»Ist doch das reine Zuckerwasser, wetten? Wasser... Glukosesirup...« Sie stellt die Flasche ab. »Nein danke.«
»Aber es hat ganz besondere Eigenschaften!«, erkläre ich überrascht. »Stellt den Mineralienhaushalt wieder her, revitalisiert und versorgt die Haut von innen mit Feuchtigkeit.«
» Und wie macht es das?«
» Öh ... weiß ich nicht.«
» Wie viel kostet so eine Flasche?“ Jess nimmt die Flasche wieder zur Hand und sieht aufs Preisschild. »Zwei Pfund fünfundneunzig?« Sie ist offensichtlich entrüstet. »Drei Pfund für das bisschen Zuckerwasser? Dafür kann man ja zwanzig Kilo Kartoffeln kriegen!«
»Aber... ich will keine zwanzig Kilo Kartoffeln«, gebe ich verwirrt zurück.
»Das solltest du aber! Kartoffeln sind das nahrhafteste und preiswerteste Lebensmittel, das es überhaupt gibt.« Sie sieht mich leicht vorwurfsvoll an. »Kartoffeln werden immer noch vollkommen unterschätzt. Aber wusstest du zum Beispiel, dass die Schale einer Kartoffel mehr Vitamin C enthält als eine Orange?«
»Ah... nein«, räume ich nervös ein. »Nein, dass wusste ich nicht.«
»Man könnte sich ausschließlich von Kartoffeln und Milch ernähren.« Sie fangt wieder an, ihre Gewichte zu stemmen. »Die beiden Sachen reichen vollkommen aus. Enthalten so gut wie alle Nährstoffe, die der Körper braucht.«
»Ja, so was!«, sage ich. »Das ist ja... wirklich toll! Äh... Ich geh dann mal duschen.«
Als ich die Gästezimmertür hinter mir schließe, bin ich völlig durcheinander. Was war das mit den Kartoffeln? Ich weiß nicht einmal mehr, wie wir überhaupt auf das Thema gekommen sind!
Ich gehe den Flur hinunter und sehe Luke im Arbeitszimmer etwas aus dem Regal holen.
»Du siehst aber sportlich aus«, kommentiert er meinen Auftritt. »Gehst du ins Fitnessstudio?«
»Jess und ich haben zusammen trainiert«, antworte ich und werfe die
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