Vom Vergnugen eine altere Frau zu sein
vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, ergriffen tatsächlich die notwendigen MaÃnahmen, wie Nachschulungen und Teilzeitarbeit, um ältere Menschen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Die älteren Arbeitnehmer in diesen Betrieben bewerteten entsprechende Bemühungen ihrer Arbeitgeber, wenn sie sie überhaupt wahrgenommen hatten, ausgesprochen negativ.
Und doch fand das Ministerium heraus, dass die groÃe Mehrheit der älteren Arbeitnehmer â 88 Prozent â dort, wo ein positives Altersbild vorherrscht und unterstützende MaÃnahmen ergriffen werden, von einer positiven Selbsteinschätzung berichtete, die zu langfristiger Leistungsfähigkeit und einer erhöhten Zufriedenheit mit der Arbeitssituation beitrug. Waren keine besonderen MaÃnahmen zu erkennen, gaben nur 33 Prozent der Angestellten an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. Die Auswirkungen, die diese Differenz auf Gesundheit und Produktivität hat, kann man sich ausmalen.
Noch immer gibt es wenige Firmen, die für eine angemessene Weiterbildung der über Vierzigjährigen sorgen. Dabei liegt es auf der Hand, dass gerade Ãltere über neue Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten werden müssen. Und hier noch eine besonders beeindruckende Zahl: In 41 Prozent der deutschen Unternehmen arbeitet, abgesehen von der Chefetage, niemand über fünfundfünfzig, und dies zu einer Zeit, in der die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften sucht â ein Problem, das sich in den nächsten Jahren sicherlich noch verstärken wird.
Sehr erfolgversprechend ist ein von Prof. Jürgen Deller geleitetes Projekt am Institut für Strategisches Personalmanagement der Leuphana Universität in Lüneburg, das Silver-Workers-Projekt. Dort wird untersucht, wie man es Menschen ermöglichen kann, über das Pensionsalter hinaus zu arbeiten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass schon heute über vierhunderttausend Menschen im Rentenalter einer geregelten Arbeit nachgehen. Doch die meisten sind Akademiker und andere Freiberufler, für die der Ãbergang leichter ist. Mit Professor Deller kooperiert das Silver Workersâ Institute in Genf, ein führendes Zentrum der Versicherungsbetriebslehre. Dort hat man herausgefunden, dass für die Eingliederung älterer Arbeiter regelmäÃige Schulungen ebenso unabdingbar sind wie das ernsthafte Bemühen, die Wünsche dieser Arbeiter zu verstehen. Alles läuft auf Wertschätzung hinaus: Ãlteren Menschen muss vermittelt werden, dass ihre Erfahrungen und besonderen Kenntnisse gebraucht werden. Es ist an der Zeit, so Professor Deller, dass sich die Unternehmen von ihrem überholten »Jugendwahn« befreien.
Es gibt also eine Menge interessanter Entwicklungen. Doch es wird einige Zeit dauern, bis die neuen Sichtweisen ins öffentliche Bewusstsein dringen und die Gesellschaft als Ganzes ihre Einstellung zum Alter ändert. Mit etwas Glück werden zukünftige Generationen von den gegenwärtigen Umwälzungen profitieren. Doch was bedeutet das heute für eine Frau mittleren Alters, die mehrere Kinder groÃgezogen hat und in die Arbeitswelt zurückkehren will? Was bedeutet es für eine Frau, die mit sechsundsechzig in die erste Rentnerinnendepression verfällt? Was bedeutet es für eine Fünfundsiebzigjährige, die weiÃ, dass sie noch einiges draufhat?
Sissi und ich waren uns einig: Wir mussten die Dinge selbst in die Hand nehmen. Vor uns lagen immerhin zwanzig, dreiÃig Jahre, vielleicht sogar mehr, aus denen wir das Beste machen wollten. Wir beschlossen, die alten Vorstellungen vom Alter über Bord zu werfen und das Leben noch einmal ganz neu zu betrachten. Vergiss, wie viele Jahre du schon hinter dir hast, und mach etwas aus der Zeit, die noch vor dir liegt.
In gewisser Weise haben es Frauen leichter als Männer. Frauen, die in die letzte Lebensphase eintreten, sind heute ganz anders als ihre Mütter und GroÃmütter. Sie wissen ja längst, dass in der Gesellschaft Veränderungen stattfinden, dass Rollen neu verteilt werden. Es müsste ihnen also leichter fallen, neue Vorstellungen vom Altern zu entwickeln. Auch diejenigen, die während des Krieges oder unmittelbar danach zur Welt kamen, sind direkt oder indirekt von den Entwicklungen späterer Jahrzehnte beeinflusst worden, von den Umwälzungen der Sechziger- und Siebzigerjahre, den verbesserten Bildungsmöglichkeiten, der
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