Vom Wahn zur Tat
Klassen Hauptschule mit durchschnittlichen Schulleistungen. Nach dem Polytechnischen Lehrgang begann er eine Gärtnerlehre, brach aber nach einem Monat wieder ab. Seine letzte Tätigkeit war eine vom AMS geförderte Stelle als Tischler. B. erinnert sich, Ende der 1980er-oder Anfang der 1990er-Jahre in einer Psychiatrie in Holland aufgenommen gewesen zu sein. Ein Onkel und eine Tante väterlicherseits sowie die Mutter des Vaters hätten, so Kurt B., ebenfalls an einer psychischen Krankheit gelitten.
Im Alter von 12 oder 13 Jahren unternahm er seinen ersten Suizidversuch. Der Grund dafür sei eine heftige psychotische Exazerbation seines Vaters gewesen. Mit 23 Jahren, erzählt B., sei er mit seiner Freundin und deren Sohn bei einer Autofahrt nach Tirol in einen LKW gefahren, habe die rechte Fahrzeugseite ramponiert, aber nicht angehalten. Als das Fahrzeug nicht mehr lenkbar gewesen sei, sei er stehen geblieben und sei von der Polizei vernommen worden; ein Alkoholtest habe ein negatives Ergebnis erbracht. Der Grund für den Auffahrunfall: Er habe im LKW das Böse gesehen, der Scheibenwischer und der Blinker seien Zeichen gewesen, die er aber nicht deuten konnte. Um das Böse zu vernichten, sei er in den LKW gefahren.
Ab dem Jahr 1989 wohnte B. in einer Garçonnière in Graz und war mehrfach in einer psychiatrischen Abteilung stationär in Behandlung. Ab dem Jahr 1991 sei er, so B., mit Kathrin N. aus München befreundet gewesen und habe mit ihr in einer Beziehung gelebt. Sie habe an sich in München gewohnt, ihn aber 14-tägig in der Steiermark besucht. Damals habe er in Puntigam gewohnt – bis er nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie in die Eigentumswohnung von Gerhild V., seinem späteren Opfer, gezogen sei.
Die psychische Entwicklung Kurt B.s am Anfang seines Aufenthalts in der Justizanstalt Göllersdorf beschreibt ein Protokoll: „Während des Aufenthaltes kommt es immer wieder zu einem Lauterwerden der guten wie auch bösen Stimmen, die dann sehr belastend für den Patienten sind. Es handelt sich um imperative und auch um dialogische Stimmen. Diese beeinträchtigen ihn auch körperlich, fügen ihm Schmerzen zu oder beißen ihn, das trete vor allem nachts auf. Es treten Phänomene aus dem Übergangsbereich zwischen Wahnwahrnehmungen und akustischen Halluzinationen auf. Geräuschen wird vom Patienten eine bestimmte Bedeutung zugewiesen, wie z. B. das Quietschen einer Kastentür ihm mitteilen soll, dass er den Kasten noch nicht aufräumen soll. Es treten Größenideen auf; er verfüge über ein spezielles Sensorium und könne mit unbelebten Gegenständen, die sich in einer anderen Dimension befänden, Kontakt aufnehmen. Das alles sei mit einem göttlichen Auftrag verbunden. Affektiv ist der Patient oft deutlich eingeengt, im Duktus kommt es zu Sperrungen, die der Patient als ‚Verlust des roten Fadens‘ deutet. Im Verlauf des Aufenthalts klagt der Patient auch über Körpermissempfindungen und Geruchshalluzinationen. So spüre er in der Nacht Verstorbene, die ihn auseinanderreißen wollen. In den letzten Monaten sind sowohl Halluzinationen als auch Wahn deutlich in den Hintergrund getreten und wurden vom Patient nicht mehr so angstvoll erlebt. Die seit zwölf Monaten regelmäßig geführten psychotherapeutischen Einzelgespräche führten zu einer deutlichen Entlastung des Patienten, vor allem was den Bereich der Deliktbearbeitung betrifft. Insgesamt zeigt sich eine schubhaft verlaufende, katatone Schizophrenie mit einem deutlichen Residuum bei relativ gut erhaltener Persönlichkeit. Die Legalprognose wird im Wesentlichen davon abhängen, ob es B. gelingt, sich von Drogen fernzuhalten. Die Haltung zum Delikt ist weiterhin zwiespältig. Insgeheim ist er sich sicher, dass seine getötete Partnerin wirklich ein gefährlicher Dämon war. Andererseits plagt ihn ein schlechtes Gewissen, dass er einen Menschen auf derartig bestialische Weise getötet hat.“
5. KÖRPERVERLETZUNGEN UND NÖTIGUNGEN
Es gibt zwei verschiedene Formen von Körperverletzungen durch schizophrene Täter: einerseits solche aufgrund einer allgemeinen Enthemmung, die entweder mit Drogenmissbrauch und/oder der Persönlichkeit des Täters zu tun haben. Vermutlich spielt die Psychose bei diesen Fällen eine geringe Rolle. Andererseits gibt es einen Typus von Körperverletzungen, bei denen es rein von den Rahmenbedingungen und von glücklichen Umständen abhängt, wenn das Opfer überlebt. Diese Taten haben von Ablauf und Struktur große
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