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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat
Autoren: Thomas Stompe
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Polizeibeamten ein. Nach Aufforderung ließ er allerdings sofort das Messer fallen. Er sagte: „Ich bin doch kein Mörder, muss mich aber schützen.“ Er habe aber Angst vor Zombies und der Voodoofrau.
    Nach dem Delikt wurde er zur weiteren Behandlung in den Maßnahmenvollzug eingewiesen und in der Justizanstalt Göllersdorf aufgenommen: „Der Patient hatte zuvor an der Justizanstalt Wien-Josefstadt das Gefühl, er würde sich in der Welt auflösen“, heißt es in den Aufzeichnungen. Er habe deshalb ins Netzbett verlegt werden wollen, was dann auch geschehen sei. Im Netzbett habe er sich besser abgrenzen können. Er habe Stimmen gehört, die eigentlich mehr eine Art fremde Gedanken in seinem Kopf gewesen seien. Dies seien die Stimmen oder Gedanken Gottes, des Teufels oder von Engeln gewesen. Diese Stimmen oder Gedanken hätten teils befehlenden Charakter gehabt, teils hätten sie das Verhalten des Patienten kommentiert, es hätte aber auch Dialoge zwischen dem Teufel und den Engeln gegeben. Der Patient habe vor allem, was es in der Welt gebe, Angst gehabt, seine Handlungen seien zeitweise von anderen bestimmt worden.
    S. hatte in dieser Zeit ein massives Selbstpflegedefizit und musste sowohl zur Körperpflege als auch zur Nahrungsaufnahme ausdrücklich angehalten werden. Bis zum Tatzeitpunkt im April 2000 war S. 33 Mal im Ausmaß von insgesamt 988 Tagen stationär behandelt worden. Zwischen den Aufenthalten wohnte er zunächst in einem betreuten Wohnheim und ab Oktober 1994 bis 2000 in einer eigenen, vom PSD betreuten Wohnung. Mehrere Rehabilitationsversuche an geschützten Arbeitsstellen scheiterten an der Ausdauer und der Konzentration. S. selbst meinte, mit dem Leben „draußen“ nicht mehr zurechtzukommen. Zu Beginn seiner Erkrankung standen Probleme an diversen Arbeitsstellen im Vordergrund. Zunehmend veränderte sich jedoch die Fähigkeit, mit den Anforderungen des Alltags zurechtzukommen (Körperpflege, Haushalt, Medikamenteneinnahme). Seit einigen Jahren Pensionist, besteht derzeit keine Intention oder Motivation seitens des Patienten an einer wie immer gearteten Beschäftigung.
    S. leidet unter einer chronischen katatonen Schizophrenie, auch unter der kontinuierlichen medikamentösen Behandlung geriet er immer wieder in Erregungszustände, die ihm selbst Angst machten. Jetzt sind es gerade Schwäne, die einen zentralen Platz in seiner Vorstellungswelt einnehmen. Er hat keine Kontrolle über die bizarren Bilder, die weit weg von jeder gemeinsamen Realität sind. Die Mutter spielte im Leben von S. eine äußerst wichtige und dominante Rolle. Erst in den letzten Jahren fand eine Distanzierung statt. Mit seinem Delikt versuchte er, aus der symbiotischen Bindung mit der Mutter auszusteigen.

Der Fall Josef D. – Eine verworrene Geiselnahme
    Josef D. nahm 2007 die Amtsärztin der Salzburger Bezirkshauptmannschaft und eine Sozialarbeiterin gefangen und sperrte sie in seine Wohnung ein. Die Ärztin bedrohte er mit einem Schaber. Er nötigte sie zum Ablegen der Bekleidung und verletzte sie mit dem Schaber am rechten Daumen und fügte ihr Schnittwunden an der linken Wange zu.
    Josef D. wurde 1964 geboren. Beide Eltern waren Lehrer. Er wuchs zum Teil in Linz, zum Teil in Salzburg auf, sowohl bei den Eltern als auch Großeltern. Der Tod der Großeltern in den Siebzigerjahren traf den Patienten in der Volksschulzeit merklich. Nach vier Klassen Volksschule und acht Klassen Gymnasium schloss er positiv mit der Matura ab. Er selbst berichtet, er sei ein eher schlechter Schüler gewesen und habe unter deutlichem Leistungsdruck gestanden. Die Mutter des Patienten erzählt, dass ihr Sohn mit der Pubertät verschlossener geworden sei. Es sei schwer gewesen, mit ihm ins Gespräch zu kommen, und er habe den Eindruck gemacht, alles in sich hineinzufressen. Mit 16, 17 Jahren habe es einen Leistungsknick gegeben, er habe einen sehr rigiden Eindruck gemacht und sich auch dann von Vorstellungen nicht lösen können, wenn er erkannt habe, dass sie nicht ausführbar seien. Nach der Matura sei der Patient einem Psychiater vorgestellt worden. Eine Diagnose oder medizinische Therapie ist der Mutter nicht erinnerlich, es habe aber Überlegungen in Richtung Hebephrenie gegeben.
    Nach der Matura begann Josef D., Vermessungswesen zu studieren. Das Studium gab er auf und leistete danach zwei Monate Präsenzdienst ab. Während seines Grundwehrdienstes habe er, so D., bei einem Besuch zu Hause von seiner Mutter ein Stück Torte verlangt,
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