Vom Wahn zur Tat
sogenannte ‚missing-link‘. Ich werde darüber ein Buch schreiben.“
Ende 1993 wurde F. vom Gericht für schuldig befunden, im Zustand einer paranoiden Schizophrenie das Verbrechen des Mordes nach dem § 75 StGB begangen zu haben, und gemäß dem § 21/1 StGB wurde die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Seine Behandlung verlief gut, F. zeigte sich in der Justizanstalt als freundlicher und intelligenter Maßnahmenpatient, der sich auch um seine Mitinsassen kümmert.
Nach der bedingten Entlassung versuchte F. anfangs, in Wien beruflich Fuß zu fassen. Es gelang ihm nicht und so setzte er sich nach Ungarn ab. Während der Zeit in Ungarn wohnte F. in einem Hotel, in dem es in weiterer Folge zu einer Auseinandersetzung mit dem Besitzer kam. Er selbst habe sich, so F., durch den Hotelbesitzer ungerecht behandelt gefühlt und die Dienstleistungen des Hotels als unzureichend empfunden. Aus einem Schildbürgerstreich heraus habe er im Hotelbereich ein Lagerfeuer entzündet, um auf diese Art und Weise gegen diesen unbefriedigenden Zustand zu protestieren. In weiterer Folge sei es mit einem Bodyguard des Hotels zu einem Raufhandel und zu einer Anzeige gekommen. Dem zweiten Delikt vorangegangen waren – nach Zeugenberichten – bereits einige Tage grob auffälligen Benehmens, Schlaflosigkeit, Alkoholgenuss, Belästigungen von Hotelgästen, Randalieren, Toben und allgemein unbotmäßiges Benehmen, das trotz mehrfacher Aufforderung nicht eingestellt wurde. Ferner räumte F. sein Appartement aus, entfernte Teppiche, verteilte am Boden Haargel, stellte Räucherstäbchen und ätherische Öle auf, stellte Gegenstände in den Hof, verbrannte eine Plastikkiste und eine Sturmlaterne. Franz F. bezeichnet diese Verhaltensweisen als Protestaktion gegen die Unverhältnismäßigkeit des Preis-Leistungs-Verhältnisses dieses Hotels und negierte, sich grob störend und erregt verhalten zu haben. Weiters führte er an, dass das Hotel zur Geldwäsche benützt werde und der Inhaber in Mafiakreise eingebunden sei. Der Konflikt wird in den Akten wie folgt geschildert: „Im Hotel fordert Herr F. den Hoteldirektor auf, das von ihm bewohnte Zimmer zu besichtigen. Er lässt beim Eintreten in das Hotelzimmer dem Direktor den Vortritt, erfasst plötzlich seinen Kopf und zieht ihn nach hinten, gleichzeitig presst er die Klinge eines Messers gegen dessen Hals. Der Rezeptionist, der den beiden gefolgt ist, stürzt sich auf F. und ringt diesen nieder, wodurch der Direktor befreit wird. In der Rangelei mit dem Messer erleidet der Rezeptionist Schnittwunden an beiden Unterarmen. Während dieser das Messer in der Hand hält, äußert F. gegenüber dem Angestellten, er werde ihn töten. Letztlich gelingt es dem Hoteldirektor und seinem Rezeptionisten, aus dem Hotelzimmer zu flüchten und F. darin einzusperren.“
„Aus psychiatrischer Sicht“, heißt es weiter, „lässt sich annehmen, dass das zweite Delikt in einer wahnhaften Umdeutung der Realität mit paranoider Erlebnisverzerrung getätigt wurde und dass F. bereits Tage zuvor sich in einer enthemmt gereizten Verstimmung, einhergehend mit Schlaflosigkeit, Angst und verfolgungswahnhafter Umdeutung befunden hat, mit der Neigung vermehrt Alkohol zu konsumieren“. Das Besondere an F. ist, dass sich die psychotische Symptomatik sehr rasch entwickelt, innerhalb von wenigen Tagen gerät er in einen psychotischen Zustand, der durchaus gefährlich für Dritte werden kann. Also muss man hier Sicherungen einbauen, wichtig ist vor allem die Medikation. Sobald der Patient eine Veränderung merkt, muss er zum Arzt kommen – und tut das auch von sich aus.
Bei seiner ersten Tat zeigt sich einmal mehr, wie gefährdet die nächsten Angehörigen sind, besonders Mütter. Dazu meint ein behandelnder Arzt: „Zentrales Motiv der Tötung der Mutter war nicht, dass diese ein Komplott zum Schaden des Patienten geschmiedet hätte, sondern das Gefühl der starken und unter den Bedingungen der Krankheit zunehmenden Abhängigkeit von ihr. Dieses Gefühl hat seinen Ursprung deutlich vor dem Beginn der akuten psychotischen Episode, reicht also in eine Phase der relativen Gesundheit hinüber. Ziel der Tathandlung war ‚eine positive Erledigung im Sinne meiner gedanklichen Vorgänge‘. Herr F. versuchte mit der Handlung offensichtlich seine Mutter in einem endgültigen Sinn zu ‚entwerten‘ (Entkleiden, Haare schneiden, Schlagen, der Tötungsvorgang selbst, der eine massive
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