Vom Wahn zur Tat
zu holen. Doch er interpretierte ihren Hilferuf so, dass er an die Dämonen gerichtet ist, und schlug daher weiter auf Gerhild V. ein.
Er gibt in der Hauptverhandlung an, dass er versucht habe, ihr die Zähne auszuschlagen, damit sie ihn mit ihren Vampirzähnen nicht mehr auffressen und aussaugen könne. Sie habe versucht, sich zu wehren und ihn zu würgen, woraufhin B. sie seinerseits gewürgt habe. Frau V. sei zu Boden gefallen, er habe mit einer Zange seines Mehrzweckmessers das Tuch, das sie um ihren Hals getragen habe, so lange zugedreht, bis sie sich nicht mehr bewegt habe.
Er habe jedoch weiterhin Angst gehabt, dass der Dämon, in den sie sich verwandelt hatte, noch leben könne. Daraufhin habe er mit der Klinge seines Mehrzweckmessers zweiundzwanzigmal zugestochen und ihr Gesicht mit einem Hammer zertrümmert. Er habe seine blutigen Kleider in die Waschmaschine gegeben und sich selbst gewaschen. Nackt sei er zur Toten zurückgekehrt, er habe ihr den Brustkorb aufgeschnitten, das Herz herausgerissen, es in einen Kochtopf gegeben und diesen mit Wasser und Salz am Herd aufgestellt. Als Grund dafür gibt er an, dass er gedacht habe, mehrere Monate in der Wohnung bleiben zu müssen und daher Nahrung zu brauchen. Dies steht im Widerspruch zu der Angabe im Haftantrag, wo festgehalten wird, dass er das Herz essen habe wollen, um den „Dämon V.“ zu vernichten. Danach habe er jedoch den Kochtopf wieder vom Herd genommen und ihn mit dem Herz ins Gefrierfach seines Kühlschranks gestellt. Immer wieder, wenn er ins Schlafzimmer gegangen sei, habe er Stimmen gehört, die ihn gewarnt hätten, dass der „Dämon V.“ sich immer noch rühre. Aus Angst, dass die einzelnen Leichenteile auf ihn losgehen könnten, wie er einmal in einem Horrorfilm gesehen habe, habe er sich wieder angekleidet und dem Opfer mit der Säge seines Mehrzweckmessers den Kopf, die rechte und linke Hand und einen Fuß abgetrennt und diese Körperteile ebenfalls im Gefrierfach verstaut. Den zweiten Fuß habe er abgetrennt, denn nur dadurch sei die Gefahr gebannt gewesen, dass sich der Dämon wieder erheben könne, erzählt er später. Dies könne er nämlich auch ohne Kopf und Herz. Immer noch in der Angst, dass der Dämon wieder aufstehen könne, rief Kurt B. die Polizei an, die die Leiche wegschaffen sollte. Als die Polizei eintraf, wollte er flüchten, wurde aber verhaftet. Sowohl bei der Polizei wie später beim Untersuchungsrichter litt Kurt B. weiter unter denselben Wahnvorstellungen und erklärte, dass es sein Ziel sei, auch alle anderen Dämonen zu erwischen und zu vernichten.
Der Fall ist ein klassischer „katatoner Overkill“. Bereits Tage vor der Tat kämpfte B. darum, die Kontrolle über seinen Körper zu behalten. Die geschilderten Gedankenabläufe wirken deutlich geordneter, als sie zum Tatzeitpunkt waren. Klar war für B., dass der Dämon ihn und damit auch die ganze Welt vernichten würde. Er spürte in den letzten Stunden vor der Tat eine unvergleichliche Gefühlswallung in sich aufsteigen, die ihn drohte mit sich zu reißen. Während des Tatablaufs gibt es immer wieder klarere Momente, in denen B. weitere Maßnahmen trifft, um den Dämon endgültig zu besiegen. Dazwischen Zeiten, in denen er im Raptus rasend auf sein Opfer einsticht.
So unwahrscheinlich es klingt: Im Alltag ist Kurt B. ein netter, freundlicher Mensch, der etwas steif und manieriert wirkt. Er wurde im Jahr 1966 als drittes von insgesamt vier Kindern geboren. Sein Vater war Handwerker, erkrankte aber ebenfalls psychisch und war in den Jahren 1956 bis 1991 elf Mal an einer Landesnervenklinik in stationärer Behandlung. B. gibt an, dass der Vater manchmal tagelang keine Nahrung zu sich genommen und nicht geschlafen habe, er sei immer unterwegs gewesen und habe in großen Mengen Alkohol getrunken. Während seiner psychotischen Schübe sei es zu Konflikten mit dem Sohn gekommen. Sein Vater habe ihn mitunter auch heftig geschlagen und in einem psychotischen Ausnahmezustand seine Mutter mit einer Geflügelschere am Bauch verletzt. Die Mutter habe phasenweise an einer depressiven Erkrankung gelitten. Zu beiden Elternteilen habe B. nach wie vor ein gutes Verhältnis. Seine älteste Schwester beging Selbstmord, als er 22 Jahre war. Sein Bruder war wegen eines Drogendeliktes, wegen gefährlicher Drohung und wegen eines Sexualdeliktes in Haft.
B. absolvierte fünf Klassen Volksschule – in der ersten wurde er wegen Lese- und Schreibproblemen zurückgestellt – und vier
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