Vom Wahn zur Tat
GEFÄHRLICHE
DROHUNG
Die Palette der Taten, die von Schizophreniekranken begangen werden, weitet sich hier in diesen Fallbeispielen: Brände werden vor allem von hebephrenen Patienten gelegt. Es gibt allerdings auch eine kleinere Gruppe von paranoiden Schizophrenen, die Brandstifter sind. Diese Täter handeln, um ein Zeichen zu setzen oder um sich für irgendwelches Ungemach, das ihnen zugestoßen ist, zu rächen.
Von der Motivation her gleichen diese hebephrenen Brandstifter den Minderbegabten. Feuer hat eine große Anziehungskraft, manche Psychoanalytiker sehen einen Zusammenhang mit einer urethralen Phase der kindlichen Sexualentwicklung. Sowohl bei Hebephrenen wie Minderbegabten spielen schlecht ausgeprägte oder abgebaute moralische Gefühle (Schuld, Scham, Mitleid) eine größere Rolle als Wahn und Halluzinationen. Während bei Hebephrenen ein rascher Abbau dieser Gefühlsqualitäten erfolgt, konnten sich diese bei Minderbegabten häufig nicht ausreichend entwickeln.
Hebephrene handeln oft einfach aus der Lust heraus, etwas „anzustellen“. Mit dem Tun ist kein Schuldbewusstsein verbunden. Von diesen Patienten werden auch hin und wieder Eigentums- und Sexualdelikte begangen. Auch schizophrene Patienten mit einem Größenwahn stehlen manchmal. Allerdings existiert für sie Eigentum nicht, weil ihren wahnhaften Ideen entsprechend ohnehin alles ihnen gehört. Für einen Hebephrenen dagegen existiert Eigentum sehr wohl, aber die Tatsache, dass ein begehrter Gegenstand jemand anderem gehört, hat keine wirkliche Bedeutung. Die Hemmschwelle, einfach zuzugreifen, ist sehr niedrig.
Der Fall F. dokumentiert eines der seltenen Sexualdelikte schizophrener Patienten. Hier ist primär der Wahn der Auslöser der Handlung, nicht die sexuelle Orientierung. Als Abschluss der Fall H.: Ihn hat eine gefährliche Drohung, die in ihrer Bedeutung nur durch die Kenntnis einer vollständig wahnhaft veränderten Biografie zu begreifen ist, in die Maßnahme gebracht. In seiner chronischen Psychose verarbeitet er auch dieses Erlebnis erfolgreich wahnhaft, er ist nun der Schlossherr von Göllersdorf.
Der Fall Ernst W. – Der Brandstifter
Im Fall von Ernst W. sind erste psychiatrische Auffälligkeiten bereits im frühen Jugendalter dokumentiert. Im Alter von zwölf Jahren gab er an, gelegentlich Stimmen zu hören. Trotz schulischer Schwierigkeiten schloss er die Pflichtschule ab. Es folgte eine Lehre als Landschaftsgärtner, die er nie abschloss. Nach der Lehrzeit kam es zu einem scheinbar wahllosen Drogenkonsum und einer völligen Plan- und Ziellosigkeit mit Verwahrlosungstendenz. Bis zu seinem ersten schweren Suizidversuch im Jahr 2000 gab es keine psychiatrische Behandlung. Danach war der Patient bis zum Delikt, das ihn in den Maßnahmenvollzug führte, bis auf einige kürzere Unterbrechungen in laufender Spitalsbehandlung. 2001 unternahm er einen weiteren schweren Suizidversuch.
Die stationären psychiatrischen Aufenthalte liefen meist nach einem ähnlichen Muster ab. Ernst W. wünschte von sich aus eine Aufnahme zur Entlastung, nahm das therapeutische Angebot kaum an und verließ – meist ohne sich abzumelden – wieder die Station. Bei einigen psychiatrischen Aufenthalten sind psychotische Symptome wie akustische Halluzinationen und bizarre religiöse Wahnideen, die rasch wieder abklingen, dokumentiert. Während des Aufenthalts an der Justizanstalt Göllersdorf fielen vor allem ausgeprägte negative Symptome wie eine hochgradige Affektverflachung, Passivität und Mangel an Initiative sowie eine Vernachlässigung der Körperpflege und ein Mangel an sozialer Kompetenz, bedingt durch ein schwerwiegendes schizophrenes Residuum, auf. In den Akten heißt es über ihn: „Insgesamt erscheint der Patient im Verhalten infantil, ist sehr suggestibel, zeigt eine geringe Frustrationstoleranz und neigt zu impulsiven, unüberlegten Handlungen mit ausgeprägter Autodestruktion, wobei er auch mehrfach über Suizidgedanken berichtet. Er zeigt kaum einen Antrieb hinsichtlich einer Änderung seiner Lebenssituation. Gelegentlich von ihm geschilderte Angstinhalte erscheinen emotional kaum mitgetragen. Er erzählt auch über bizarre Themen völlig unbeteiligt. Die von ihm geschilderten Stimmen und Wahnideen sind flüchtig, wobei er sich hinsichtlich Häufigkeit, Dauer und Inhalt öfter widerspricht. Ein systematisierter Wahn ist nicht fassbar.“
Die regelmäßig wiederkehrenden stationären Aufenthalte in der Psychiatrie sind an diesem
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