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Vom Wahn zur Tat

Vom Wahn zur Tat

Titel: Vom Wahn zur Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Stompe
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Beispiel gut nachzuvollziehen. Im September 2000 wurde Ernst W. erstmals eingeliefert. Im Protokoll heißt es dazu: „Der Patient wird nach einem Suizidversuch vom Krankenhaus überstellt. Im Aufnahmegespräch gibt er an, dass er nach dem Tod seines Vaters und der nochmaligen Heirat der Mutter unter beträchtlichen Spannungen leide. Er nehme seit dem 14. Lebensjahr Drogen und trinke auch Alkohol. Er erzählt, dass er zwischen dem 18. und 19. Lebensjahr einige Male mit dem Gedanken gespielt habe, sich umzubringen, wovon ihm aber von Bekannten abgeraten worden sei. Bezüglich des Suizidversuches meint er, dass er nicht mehr wusste, wie er aus den ganzen Schwierigkeiten herauskommen könne. Er bedauert, ‚diesen Fehler‘ begangen zu haben. Er möchte wieder gesund werden, sich Arbeit suchen und wie ein normaler Mensch leben.“
    Im Oktober 2000 kam es bereits zur nächsten stationären Aufnahme: „In der Aufnahmesituation zeigt sich der Patient sehr agierend, rutscht am Boden herum, uriniert auf den Fußboden und reagiert paranoid auf eine Mitpatientin, gegen die er fast tätlich wurde. Im Aufnahmegespräch zeigt sich der Patient wahnhaft und psychotisch, hadert damit, dass er bei seinem Fenstersprung nicht mit dem Kopf voran gesprungen wäre. Er sei Gott und würde gegen den Teufel kämpfen.“ Er berichtet über fallweise auftretende akustische sowie optische Halluzinationen (ein Teufel in Vampirgestalt). Er wünscht sich in der Aufnahmesituation, von den behandelnden Ärzten mit Schlafmedikamenten vergiftet zu werden.
    2001 versuchte er erneut sich umzubringen: „Er äußert von sich aus, dass er gelegentlich Stimmen höre, ferner das Gefühl habe, vom Teufel und Vampiren verfolgt zu sein und Spinnen zu sehen. Gibt zwischendurch geordnet an, vor die U-Bahn gesprungen zu sein, da er es nicht mehr ausgehalten habe. Auch bereits vor dem Unfall habe er derartige Erlebnisse gehabt und wollte sich befreien. Ruhe wäre erst, wenn er in der Hölle wäre. Im Affekt ist er völlig erstarrt, affektdissoziiert. Er benennt ohne die dazugehörigen Gefühle seine Erlebnisse, ist emotional nicht erreichbar. Derzeit ist ein wahnhaft-halluzinatorisches Zustandsbild fassbar.“
    Ende 2001 folgten weitere stationäre Aufnahmen: „Er zeigt wenig Interesse an der Therapie. Nach mehreren Gesprächen war er zur Körperpflege bereit. Kurz nach der Aufnahme kam es zum ersten Heroinrückfall, als er unerlaubt die Station verließ. In der Folge entfernte er sich trotz Unterbringung mehrmals aus der Station. Zum Zeitpunkt der Entlassung hörte der Patient im Hintergrund weiterhin Stimmen mit religiösen Inhalten. Er verspürte immer wieder impulshafte Spannungen im Rahmen einer depressiven Grundstimmung.“
    Einen weiteren stationären Aufenthalt gab es Anfang 2002: „Der Patient kommt alleine an die Station. Er berichtet, Ruhe zu brauchen und derzeit keinen Zugang zu seiner Wohnung zu haben, da er die Schlüssel verlegt habe.“ Zum Verlauf des Aufenthalts wird festgehalten: „Der Patient zeigte an der Station ein zurückgezogenes Verhalten, hielt sich oft im Bett auf und schlief viel. Psychotische Anzeichen bestanden keine. Er las viel in der Bibel.“ Die elfte stationäre Aufnahme erfolgte im Februar 2002 ebenfalls aus Eigeninitiative: „Der Patient hatte bis zuletzt bei seinem Bruder geschlafen, diese Situation wäre zunehmend unerträglich geworden, weswegen er eine Aufnahme wünsche. Wohnen bei den Eltern sei unmöglich, da dies vom Stiefvater strikt abgelehnt werde. Er gibt an, sein Leben wäre durcheinander, er würde nicht mehr ein noch aus sehen.“ Aber bereits kurz nach der Aufnahme entwich er wieder von der Station, nachdem er seinen Spind aufgebrochen hatte, um an seine Privatkleidung zu kommen. Bald darauf kam er in Begleitung seiner Mutter und seines Stiefvaters an die Station retour. In Einzelgesprächen gestand er eine Todesabsicht ein. Immer wieder äußerte er spontane Entlassungswünsche wie auch den Plan, mit seinem Bruder in der gemeinsamen Wohnung ein „gesetztes anderes Leben“ führen zu wollen. Illusionäre Wünsche, wie einer geregelten Arbeit nachzugehen oder auch ein geregeltes Privatleben zu führen, sah er für sich als realisierbar.
    Die 16. stationäre Aufnahme erfolgte, nachdem Ernst W. verhaftet worden war. Vor der Tat lagen keine Verurteilungen vor. Beim Anlassdelikt handelt es sich um versuchte Brandstiftung, die er gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder beging. Die Tat war offenbar

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